Das helle Licht
"Hilfe! " rufe ich. Panisch schaue ich in alle Richtungen meine Mutter suchend. Sie sitzt auf dem alten Stuhl unserer Oma und strickt. "Hilf mir doch, es tut so weh! " rufe ich nochmal in die Richtung meiner Mutter. Aber sie reagiert nicht, ich bin zu leise. Ich knie mich auf den Boden und umklammere meinen Bauch. Der schmerz ist so groß, dass ich mich nicht mehr aufrecht halten kann, und auf den Boden fallen lasse. Er ist kalt. Ich bin kurz vorm Einschlafen, aber eine leise Stimme weckt mich auf. "Wach auf" sagt sie "Wir brauchen dich hier. " Ich öffne die Augen, und bevor ich Zeit habe, den Sinn dieser Worte zu erfassen, fängt der Boden unter meinen Füßen an abzubröckeln. Ich will weglaufen, aber ich bin zu langsam und ich falle in das große schwarze Loch hinein. Sofort umhüllt mich die Dunkelheit und es ist kalt. Ich habe Angst und schließe die Augen. Der Schmerz hat aufgehört. Ich könnte einfach einschlafen. Plötzlich wird es hell. Ich stehe vor einem großen hölzernen Tor. Mit all meiner Kraft drücke ich dagegen, aber es geht nicht auf. Ich bekomme Panik und fange an mit den Fäusten dagegen zu klopfen. Plötzlich erscheint meine Mutter neben mir. Sie hat einen Schlüssel in der Hand und reicht ihn mir. Ich stecke ihn in das Schlüsselloch des Tores und tatsächlich, es geht auf. Vor mir erscheint eine Wendeltreppe. Sie ist gut beleuchtet. Zögernd setze ich meinen Fuß auf die erste Treppe. Aus unerklärlichen Gründen ist es erleichternd. Eine schwere Last fällt von meinen Schultern. Ich setze meinen anderen Fuß auf die nächste Treppe, und weil dieses mir fremde Gefühl dadurch noch stärker wird, fange ich an zu laufen. Ich will ganz nach oben kommen, aber die Treppe scheint nicht zu enden. Schon eine ganze Ewigkeit steige ich Stiege für Stiege. Es hat keinen Sinn, ich will mich einfach fallen lassen, da höre ich plötzlich die leise Stimme meiner Schwester: "Gib nicht auf, gleich hast du es geschafft! " Noch einmal blicke ich nach oben und suche das Ende der Treppe. Und tatsächlich: Ein ganz schwaches Licht scheint weit oben. Mit all meiner Kraft gehe ich weiter. Die Stiegen werden immer schmaler und das Licht immer heller. Irgendwann ist es so hell, dass ich die Augen gar nicht mehr offenhalten kann. Ich bleibe stehen und warte bis das Licht wieder schwacher wird um weiter gehen zu können, aber das wird es nicht. Da packt mich plötzlich eine Hand an meinem Oberarm und zieht mich nach oben. Ich habe keine Angst, ich lass mich einfach von ihr führen.
Ich öffne meine Augen wieder. Alles ist verschwommen. "Sie ist wach! " Ruft jemand neben mir. "Sie ist endlich aufgewacht. . .“ Ich kenne diese Stimme, sie gehört meiner Schwester. „Alles Gute zum Geburtstag.“ flüstert sie mir, fast unhörbar, zu. Und plötzlich fängt sie an zu weinen. „Du bist heute… sechzehn geworden.“ Ich erstarre. Das kann nicht sein, worüber redet sie da? Ich bin doch erst viezehn! Plötzlich kommt die Erinnerung. Der Autounfall, das Blut und der Schmerz, das war kein Traum, sondern Wirklichkeit
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
