Das hier zählt.
Vor nicht allzu langer Zeit brachte mich mein Schicksaal in eine Bar oder genauer gesagt zu einem Treffen mit neuen Freunden meines älteren Bruders. Mehrere Jungs schlenderten durch die Tür herein, und er begrüßte die mir unbekannten Gesichter erfreut, doch ich blieb ungewohnt still, wie ich es sonst von meiner geselligen, lebensfrohen Persönlichkeit nicht kannte.
46, 47, 48, … mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich den Sekundenzeiger der kupferfarbenen, rustikalen Uhr, wie er nach jeder Sekunde ein Stück weiterhüpfte. Durch das Zählen der Sekunden und Analysieren meiner Umgebung versuchte ich mich von dieser unangenehmen Situation abzulenken. Ich fühlte mich fehl am Platz und wünschte mir, ich könnte die Zeit vorspulen.
49, 51, nein…, 53, … ähmm, wo war ich? Plötzlich ertappte ich mich selbst, wie ich einen der jungen Männer unterbewusst von Kopf bis Fuß musterte. Dieses herzhafte Lächeln, sein sportlicher Oberkörper und seine dunklen Augen… welche zurückstarrten und mich auf der Stelle aus meiner Schwärmerei rissen. Sofort merkte ich, wie meine Wangen heiß wurden…
Am Ende des Abends wünschte ich mir, ich könnte unserem ersten Aufeinandertreffen einen Neuanfang geben.
Zwei Jahre sind vergangen. Ich habe akzeptiert, dass sich an der Vergangenheit nichts ändern lässt, jedoch wurde mir bewusst, dass ich meine Zukunft selbst in der Hand habe. Dasitzen und die Zeit abzählen kommt für mich nie mehr in Frage.
52, 53, 54, … Heute, hier und jetzt bin ich einer Person so nahe, dass ich gerade dessen Barthaare zu zählen angefangen habe. 55, 56, 57, … an dieser Stelle fehlen ein paar Haare und am Hals sind jede Menge, viel zu lang-geratene zu finden.
Diesen schönen Augenblick nehme ich mit all meinen Sinnen bedacht wahr, sodass nicht nur meine Augen langsam zu brennen beginnen, sondern sich auch eine angenehme Wärme in meinem Brustkorb bemerkbar macht. Ich genieße den Moment, denn das ist gerade das Einzige, was zählt.
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