Das Leben hält niemals inne
Das Leben hält niemals inne.
Mein Blick ist leer, doch meine Augen sind schwer von Tränen.
Der Raum ist still – eine Stille, die schreit.
Ich ringe nach Atem, als hätte jemand meine Kehle zugeschnürt.
Die Zeit kriecht, jeder Schlag des Sekundenzeigers scheint zu verharren.
Ein Teil von mir ist erleichtert, denn ich fürchte das Kommende.
Und doch halte ich diese Unruhe nicht aus.
Ist es Unwissen? Nein – ich weiß, was geschieht.
Und trotzdem klammert sich etwas in mir an Hoffnung,
naiv, kindlich, töricht.
Ich will aufspringen, weglaufen,
doch die Realität hält mich fest.
Meine Hände zittern.
So viele Tage lang habe ich mir Worte zurechtgelegt,
geprobt, wie ich stark sein könnte.
Jetzt sitze ich hier – und bin wieder vier Jahre alt,
in deinen Armen, während dein Kitzeln mich in lautes, helles Lachen stürzen lässt.
Doch diesmal ist es keine Lachträne, die über meine Wange rollt.
Ein schriller Ton reißt mich zurück.
Das grelle Weiß blendet mich.
Und dann sehe ich dich.
Ein Bett, ein Körper, durchzogen von Schläuchen,
von Maschinen getragen, die unablässig piepen.
Mir entweicht alle Luft.
Sie schieben dich heran, jemand spricht,
doch ich höre nur die monotonen Geräuschen der Geräte.
Die Tränen brechen hervor, ungezügelt.
Ich wollte stark sein. Für dich. Für uns.
Doch nun muss ich das Unmögliche tun:
Abschied nehmen.
Meine Beine tragen mich, obwohl mein Herz schreit.
Du wirkst so zerbrechlich –
wie ein Schatten deiner selbst.
Ich schließe die Augen und sehe uns:
Tanzend in der Küche,
Sonnenstrahlen, golden, deinen zerzausten Haaren,
dein Lachen, das graue Tage bunt färbte.
Du warst das Pflaster für jede Wunde, Trost in jeder Nacht,
Rat, Umarmung, Wärme –
meine ganze Welt.
Jetzt lege ich vorsichtig meine Hand in deine.
Die Hand, die mich einst aufhob, wenn ich fiel,
liegt schlaff in meiner.
Vielleicht brauche ich keine Worte.
Es ist, als verlangsame sich die Zeit für diesen Augenblick –
nur du und ich.
Und dann spüre ich es:
ein sanfter Druck.
Deine letzte Art, Leb wohl zu sagen.
Ein zaghaftes Lächeln huscht über mein Gesicht.
Doch plötzlich:
Deine Lider zucken,
das Piepen rast, Stimmen schreien, Hände reißen mich fort.
Ich taumle zurück.
Und dann: Stille.
Die unerträglichste Stille von allen.
Mein Herz verlangsamt sich,
während deines aufhört zu schlagen.
Ich breche zusammen, hier, jetzt.
Und doch – die Welt dreht sich weiter.
Ein Leben endet, ein anderes beginnt.
Das Tempo des Lebens hält niemals inne.
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