Das letzte große Abenteuer
Unter großer Anstrengung öffnete ich ein letztes Mal meine Augen. Ich ließ meinen Blick um das Bett schweifen. Alle waren gekommen. Sie wollten mir alle in meinen letzten Minuten oder vielleicht auch nur noch in meinen allerletzten Sekunden beistehen. Niemand konnte wissen, wann es genau vorbei sein würde. Das Einzige, was ich wusste, war, dass es auf keinen Fall mehr lange dauern konnte. Mein Körper machte nicht mehr lange mit und mein Herz würde bald aufhören zu schlagen. Konzentriert holte ich tief Luft und seufzte leise.
Ich senkte den Blick wieder, da ich einen sanften Druck an meiner linken Hand spürte. Es war meine Frau. Sie hatte ihre Hand auf die meine gelegt und schenkte mir ein schwaches Lächeln. Neben ihr standen unsere drei Kinder mitsamt den sieben Enkeln und auch meine beiden ältesten Urenkel waren anwesend. Nun schlich sich doch noch ein Lächeln auf meine Lippen. Meine Gedanken schweiften ein allerletztes Mal ab.
Tatsächlich konnte ich von mir behaupten, ein wundervolles Leben gelebt zu haben. Voller Liebe, Zuneigung, Vertrauen und Mut.
Mutig hatte ich mich beispielsweise gefühlt, als ich noch in der Schulzeit das erste Referat gehalten hatte. Bei meiner ersten frei gehaltenen Rede vor mehreren hundert Personen. Als ich ganz im Geheimen um die Hand meiner geliebten Ehefrau angehalten hatte, die mich nun schon so viele Jahrzehnte begleitete. Aber auch andere Formen von Mut waren mir begegnet. Der große Unmut den ich verspürt hatte, als man uns keinen Kredit für unser Haus gewähren wollte, mein Unternehmen rote Zahlen schrieb und wir unseren Kindern deshalb nicht all ihre Wünsche erfüllen konnten. Wie bei vielen Menschen hatte auch der Übermut vor mir nicht haltgemacht. Vor allem in meiner Jugend und Kindheit konnte ich mich an einige Situationen erinnern, in denen ich mich schlichtweg überschätzt und für nahezu unsterblich gehalten hatte. Manches bereute ich heute, aber anderes hatte dazu beigetragen, dass ich gereift und erwachsen geworden war.
Viele weitere wundervolle Momente fielen mir ein und ich verspürte Glück und Zufriedenheit. Meinen Kindern und den weiteren Generationen wünschte ich ein ebenso erfülltes Leben, wie es das meine gewesen war. Beruhigt konnte ich nun für immer meine Augen schließen - voller Mut für das letzte große Abenteuer.
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