Das Rot im Leben
Leicht tropft das Blut aus der Wunde an meinem Arm. Langsam verlässt es die dünne, geritzte Rille. Kein Schmerz zu fühlen, nichts, in diesem Augenblick der Selbstverachtung, des Hasses, der Verzweiflung.
Wo ist das Leben, das mich hält, mich liebt, mit mir tanzt? Meine Hand auf dem Riss, meine Augen geschlossen, gezwungen, den Moment zu vergessen, Wut zu unterdrücken, Tränen zu verdrängen.
Ein Lichtblitz in der Dunkelheit. Ist das Liebe, die mich rettet aus meinem Tal? Die mich zurückbringt an den Anfang, die mir sagt-ich bin etwas wert?
Schwer fällt mir das Öffnen meiner Lider, zittrig verfolge ich die blutige Spur auf meinem Körperglied. Atme, verdammt, atme! Die Luft in die Lunge ziehen, das ist das einzig Wichtige in diesem Moment, in diesem Augenblick.
Eine Frage, die sich in mein Bewusstsein bahnt, erlangt die Chance, meine Gedanken auf sie zu lenken: Liebe, soll sie mir bringen, was ich gerade meinem Körper zufüge? Soll sie mich zerstören, mein eigen Fleisch und Blut vernichten?
Ist es das, was Momente von uns verlangen? Zweifel an uns selbst, hassen, was wir sind? Wer wir sind? Beschreibt es den Augenblick, der uns überflutet, wenn wir den vorgegebenen Idealen nicht entsprechen können?
Antworten, die nicht kommen, Blut, das fließt. Jugend, die zugrunde geht, Mädchen, die hungern. Keiner sieht das Problem, das in mir steckt, keiner sieht mich kämpfen mit den Augenblicken, die mich ermüden, verachten, die mir den Boden wegziehen unter den Füßen, wenn ich ihn brauche, stützend.
Scharfe Kanten an meinem Arm, Angst, Selbsthass. Szenarien, die sich wiederholen, erst monatlich, dann wöchentlich, täglich, stündlich. Kein Schmerz. Abgeschickter Hilferuf, keiner wird ihn empfangen. Zeichen setzen. Trauer speichern, sodass keiner sie je finden wird.
Doch dann kommt er, der Augenblick. Der Augenblick der Freude, des Glücks. Festgesetzt in dem Herzen, wertvoll. Ich muss ihn festhalten, an ihm ziehen, ihn aufsaugen. Meine Seele stärken. Hoffnung, Mut, die Wahrheit akzeptieren, sie aus meinem Körper schreien. Ströme aus Liebe. Habe ich sie verdient, die Bedeutung des roten Herzens? Darf ich sie mir nehmen?
Und weg ist er, der Augenblick, lässt zurück, was zuvor schon war, nimmt mir nichts ab. Nur noch Nebel in mir, trüb, kein Platz. Ich verkrieche mich, verstecke mich hinter der Mauer aus Beton inmitten meines Kopfes.
Er geht, verlässt mich, verliert die Hoffnung in mich, beraubt mich meiner Kraft. Bin ich dem gewachsen? Werde ich es schaffen, mich dem zu stellen, bevor ich versinke in den Tiefen des Sees, in einem Meer aus Gefühlen, die mich zerstören zu drohen?
Einsamkeit erfüllt meinen Körper, doch allein bin ich nicht. Embryo-Haltung nehme ich an, doch ein Baby bin ich nicht. Trauer treibt mich in die Enge, doch verfolgt werde ich nicht.
Eine Bewegung, alles beginnt, wie es endet. Der Augenblick hin, kein Leben mehr. Stille, Hass, Verderben. Narben erinnern an den Augenblick, der mich prägt, der mir zeigt: Ich bin hier.
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