Das unaufhaltsame Vergehen
Die Zeit ist mir entglitten. Ich habe nicht bemerkt, wie schnell sie vergeht, bis ich eines Tages in einem Leben stand, das mir fremd geworden war. Ich ließ mich von einer Welt blenden, die nach außen nur Glanz zeigte, doch innen war alles leer. Ich glaubte, ich könnte Schritt halten, dass ich den Schein ertragen könnte, ohne mich selbst zu verlieren – und doch habe ich mich verloren.
Freunde, die mir einst alles bedeuteten, sind gegangen. Menschen, die mir nahestanden, haben sich entfernt. Selbst Teile meiner Familie, die mir Blut und Geschichte geben, sind mir fremd geworden. Nur ein Rest bleibt: ein Gewicht in der Gegenwart, das mich hält, aber nicht rettet. Ich war überzeugt, dass ich alles aufbauen könnte. Ich glaubte, ich erschaffe etwas, das bleibt, etwas, das Sinn hat. Doch in meinem Bemühen habe ich zerstört. Alles, was ich anfasste, zerfiel – trotz meiner Absicht, es zu bewahren. Erst jetzt erkenne ich, dass ich all das nicht aus Zerstörung tat, sondern aus der naiven Vorstellung, mein Aufbau könne die Leere heilen.
Dann kam der Tag, an dem ich mein Herz einem Menschen gab, bei dem ich sicher war, dass wir unser Leben teilen würden. Ich glaubte, ich würde Halt finden, jemanden an meiner Seite haben. Doch er nahm, was er wollte, und ließ mich zurück. Gerade in dem Moment, in dem ich Sicherheit suchte, war ich allein. Ich verstand, dass ich selbst die Grenze gezogen hatte, die alles trennte.
Allein zu stehen ist ein Zustand, auf den niemand vorbereitet ist. Ich baute wieder auf – Stück für Stück, mit großer Mühe, oft zurückfallend in das Loch, aus dem ich kam. Ich rettete mich selbst, mühsam und verzweifelt. Dennoch blieb das Gefühl, dass vieles endgültig verloren war: Erschöpfung, Taubheit, ein Körper, der noch funktioniert, doch eine Seele, die leer ist. Ich blicke zurück und erkenne kaum wieder, wer ich war. Monate sind vergangen, und doch erscheinen sie wie ein einziger Augenblick, ein verschwundener Abschnitt meines Lebens. Ich staune über das Tempo, in dem ich mich selbst verloren habe.
Vielleicht ist dies die Wahrheit über die Zeit. Sie eilt nicht – sie bleibt gleich. Es ist mein Leben, das sich beschleunigt. Ich hetze, ich folge, ich verliere mich, ohne es zu bemerken. Am Ende bleibt nur das Bewusstsein, dass alles, was ich aufzubauen versucht habe, gleichzeitig zerstört wurde. Und ich bin allein geblieben, gezwungen, mich selbst zu retten, während die Zeit unbeirrt weitergeht.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:




















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX