Das Wiedersehen mit dem Tod
Ich werde von einem Licht geblendet. Ich blinzle und erkenne langsam meine Umgebung. Vor mir ist ein Bett mit einer Person darin, ich. Rund herum stehen Menschen mit weißen Kitteln. Ihre von Handschuhen bedeckten Hände sind voll mit Blut, meinem Blut. Ich starre auf die Szene vor mir. Plötzlich tritt jemand an meine Seite.
„Wer bist du? ”, frage ich erschrocken. Er schaut weiter auf meinen leblosen Körper auf dem Bett.
„Ich bin hier, um dich mitzunehmen.“ Seine Stimme ist kalt. Sie passt zu dem dunklen Nebel, der ihn umgibt.
„Warum?“ Plötzlich schlagen die Geräte aus. Die Ärzte stoppen in ihrer Bewegung, bevor eine Ärztin flucht und eine Herzdruckmassage ausübt.
„Ich-ich sterbe! ”, sage ich fassungslos und will nach mir greifen. Doch meine Hand gleitet ins Nichts.
„Was ist los mit mir? Rede! ” Aufgebracht schaue ich zu der Person, doch diese schüttelt nur den Kopf. Ihre Hände sind zusammengefaltet und ihr Blick völlig ruhig.
„Du wirst sterben. Ich bin hier, um dich abzuholen”, erklärt sie noch einmal.
„Nein, nein, das kann nicht sein! Meine Familie! Meine Freunde! Ich brauche sie! ”, schreie ich verzweifelt. Ich starre weiterhin auf die Szene vor mir. Die Herzdruckmassage nützt nichts, sie nehmen die Dinge in die Hand, die aussehen wie Bügeleisen und legen sie auf meine nackte Brust. Die Ärzte machen einen Schritt zurück und mein Körper bäumt sich auf. Noch immer kein Herzschlag.
„Noch einmal! ”, rufe ich verzweifelt. Sie wiederholen es, doch mein Herz schlägt noch immer nicht. Eine Ärztin schüttelt den Kopf.
„Nein! Nein! ”, rufe ich, doch niemand hört mich. Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. Jetzt verstehe ich. Es ist der Tod.
„Komm! Es wird Zeit”, sagt er. Und da höre ich es. Ein Piepsen. Ich schaue wieder auf meinen leblosen Körper. Die Ärzte drehen sich erstaunt um, bevor wieder Hektik ausbricht. Sie rufen verschiedene Worte durcheinander, die ich nicht verstehe. Wie gebannt schaue ich auf das Gerät, das meinen Puls misst. Und er ist da!
„Ich lebe! ”, rufe ich glücklich. Der Tod weicht zurück und verzieht unglücklich das Gesicht, bevor er anerkennend nickt.
„Wir werden uns wiedersehen. In vielen, vielen Jahren”, sagt er, bevor er vor meinen Augen verblasst. Ich spüre einen Drang in meinem Körper und gehe auf das Bett zu. Ich berühre meine kalte Hand und werde zurück in meinen Körper gezogen.
Denn ich möchte leben. Leben, bis ich sterbe. Ich möchte wissen, was die Zukunft für mich bereithält.
Viele Jahre später, als meine Gesichtszüge bereits erschlafft und meine Haare ergraut waren, besuchte mich der Tod wieder. Er lächelte, als er mich sah. Er hielt mir seine Hand entgegen.
„Diesmal wird es Zeit“, sagte er, und ich musste lächeln.
Ja, jetzt, wo mein Zukunftszauber vollbracht war, kann ich diesen wunderbaren Planeten verlassen.
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