( De) Crescendo
es wiederholt sich
immer wieder ohne Unterbrechung
der Raum, in dem es darum ging, die Noten zu vergessen und sich selbst eine Melodie zu schreibe
der Raum, in dem es in Ordnung war, nach einem Fehler weiterzuspielen
einfach weiterzuspielen ohne Rückmeldung vom stillen Raum, ohne Rückmeldung von innen geschweige denn von außen
doch jetzt schwingt nichts mehr im pianissimo
dieser Raum in meinem Kopf dreht sich so schnell, dass ich die Akkorde fast nicht mehr greifen kann
meine Hände überkreuzen sich, ich verliere die Kontrolle über meine Gefühle
ich spiele nicht mehr aus meinem Herzen, sondern nur mehr vom Blatt
es ist diese Art von Musik, die ich nie in meinem Raum hören wollte
der Raum sollte mein Rückzugsort und nicht für jeden zugänglich sein
ich will mich tragen lassen von der Melodie, die aus meinen Händen fließt, will dahintreiben auf den Schwingungen der Saiten, die mein Flügel mir zurückgibt
ich will schweben wie auf Wolken, gebaut aus der Aneinanderreihung von gedachten Schlüsseln, Noten, Takten und Vorzeichen, eingerahmt in die Betonung von forte bis pianissimo und von crescendo bis decrescendo
es ist wie mit dem Versinken in einem Roman, der dich mitnimmt, nicht mehr loslässt, festhält, du bist gefangen in den Kapiteln und hörst erst auf zu lesen, wenn dir die Augen zufallen oder das Buch seinen Ausklang findet
ich will in meinem Raum ohne Angst und Ende spielen
ohne Angst gestört zu werden, ertappt in der Einsamkeit meiner Gefühle
die Realität jedoch hat seltsame Klänge parat
nur mehr zu spielen, um anderen zu gefallen, um es genau so zu spielen wie es erwartet wird
es fühlt sich so an, als würden Personen in meinem Raum erscheinen, Schattenfiguren ähnelnd
sie verhalten sich so, als würden sie meinen Frei-Raum wegnehmen und mich für jede einzelne Note, die ich spiele, verurteilen
es wird eng, kein Platz mehr
der einsame Raum ist kaum mehr wiederzuerkennen
Noten reihen sich ohne Zusammenhang aneinander
Nicht gereimt wie ein Gedicht, nicht in Prosa, nicht lyrisch formuliert und nicht einmal in verständlichen Exzerpten, sondern in Hypotaxen verfasst
ich merke, wie sich der Raum langsam auflöst und das fortissimo nicht mehr aufhört
ich wechsle von einer Tonart auf die andere, von Dur zu Moll, ohne Gefühl, ohne Vertrauen
der Raum verliert sich im Ungewissen
der Roman scheint zu Ende zu gehen
keine Noten mehr, die sich wie Satzbausteine aneinanderreihen, keine Akkorde, die melodisch klingen
Stille tritt ein, aber nicht die angenehme Stille meines einsamen Raums und mir, sondern eine Stille, mit Gedanken im Hinterkopf, einem Knoten, der den Anschein hat, sich nicht mehr zu lösen
plötzlich bin ich in der Realität angelangt, ohne meinen imaginären Freund – ich bin allein.
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