Dein buntes Künstlerherz
Deine Augen sind so blau wie das Meer
So weise und wild, seit ewig her
Augen, die ich tausend Mal hab gesehen
Augen, wie das Wasser im Wildbach schön
Du bist grün wie die Wiesen, wund wie mein Herz
Gold wie mein Anker, schwarz wie mein Schmerz
Rot wie der Zettel in meiner Hand
Den ich auf deinem Nachtkästchen fand
Weiß sind die Tränen, die du weinst
Während du im Dunkel verloren scheinst
Farblos die Hände, die ich zitternd nehme
Während ich meine Stirn an deine lehne
Ich will sagen, dass alles gut werden wird
Dass jedes Schicksal zum Lebensglück führt
Sie sagen, es gibt keine Heilung für dich
„Demenz“, heißt „Vergessen“, unterm Strich
Dass du alle Farben, die es gibt
Nicht mehr so wie früher siehst
Du als Künstler lebst doch nur von Farben
Von den Farbflecken auf deinen Armen
Von all den Wundern der Natur
Vom Regen der Welt, so bunt und pur
Du hast Angst, sie alle zu vergessen
Sie nicht mehr zu sehen, sie nicht zu vermissen
Du willst die Welt nicht anders sehen
Hast sogar Angst, nach draußen zu gehen
Schau in deine Tasche, ich hab was versteckt
Wenn sich wieder das Vergessen weckt
Sollte sich wieder das Verblassen regen
Und du verwirrt bist, der Welten wegen
Dann hast du eine Packung zum Nase putzen
Denn Taschentücher sind noch von anderem Nutzen
Auf jedem steht eine Nachricht oben
Mit kleinen Erinnerungen und den groben
Da steht, wie du die Welt hast gesehen
Auch, wenn deine Erinnerungen vergehen
Welche Käfer für dich am schönsten sind
Wo dein liebster Apfelbaum stand als Kind
Der Name unseres Hundes vor dreißig Jahren
Wir waren so jung und unerfahren
Ich habe jede einzelne selbst geschrieben
Denn so bist du mir in Erinnerung geblieben
In jeder Packung zehn Stück von ihnen
Trockne dir damit ab die Tränen
Lies sie, immer und immer wieder
Lies und sing sie wie Vogellieder
Vergiss dabei nicht auch noch zu lachen
Das musst du immer wieder machen
Denn du bist noch du, trotz aller Lücken
Obwohl du musst dein Gedächtnis zerpflücken
Denk an die Bilder, die du hast gemalen
Denk an deinen Künstler, den genialen
In deinem Kästchen, neben den Büchern
Liegen fünf Packungen von Tempotüchern
Du kannst sie gar nicht übersehen
Du musst ja auch Nase putzen gehen
Selbst, wenn du nicht mehr daran denkst
Weiß ich, dass du sie doch entdeckst
Neben ihnen liegt dieser Brief
Den du täglich hunderte Male liest
Am letzten Tuch steht immer dasselbe
„Ich liebe dich mit meiner ganzen Seele“
Ich wollte dich niemals alleine lassen
Doch der Tod hat mich von dir weg gerissen
Ich warte auf dich an meinem Grabe
Bis es Zeit ist, am letzten Tage
Doch bis es dann soweit ist
Musst du dich erinnern, wer du bist
Die Welt ist grau, sei der Regenbogen
Wie ein Meer, in dem die Wellen wogen
Denn deine Augen sind so blau wie das Meer
Doch in Wahrheit sieht dein Künstlerherz mehr.
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