Der Blick der die Welt vergessen ließ
Woher kommen wir und wohin gehen wir? Seit dem Blick in das Weltall suchen wir nach Antworten und fragen uns, ob wir alleine sind. Und wie viel Wissen wir uns auch angeeignet haben, ist es doch am Ende wieder nur ein winziges Teil vom Ganzen. Wissen findet nämlich kein Ende. Während die 16-jährige Amelie im Zug auf dem Weg nach Hause über diese Dinge nachdenkt, scheinen die Felder nur so an ihr vorbeizurasen. Ein Geräusch reißt Amelie aus ihren Gedanken. Sie hebt ihren Kopf und blickt in wunderschöne haselnussbraune Augen. Diese kommen ihr bekannt vor. Während die Zeit stehen zu bleiben scheint, verhaken sich ihre Blicke ineinander und sie hört nebenbei die Durchsage „Nächster Halt: Glinzendorf“. Schnell löst sie ihren Blick von dem gutaussehenden Fremden und bewegt sich Richtung Tür. Ein einziger Blick kann sie die Welt vergessen lassen? Ein einziger Blick führt zur Erhöhung ihres Herzschlages und ein einziger Blick lässt die Schweißperlen ihre Stirn runterrinnen? Sie ist verwirrt. Wieso löst dieser Junge so viele Emotionen in ihr aus? Sie kennt ihn ja noch nicht einmal. Amelie steigt aus dem Zug aus und spürt ihr Herz noch immer wie wild in ihrer Brust schlagen. Aus dem Augenwinkel bemerkt sie, dass der Junge ebenfalls aussteigt und das prickelnde Gefühl in ihrem Magen steigt noch mehr an. Sie versucht sich nichts anmerken zu lassen und geht in lockerem Gang die Straßen des kleinen Dorfes entlang zu ihrem Haus. Noch immer hört sie seine Schritte hinter sich. Das Kribbeln geht nicht weg. Ist es Angst oder noch das berauschende Gefühl von vorhin? Sie wird schneller. Ihre Hände schwitzen. Auch die Schritte hinter ihr legen an Geschwindigkeit zu. Verfolgt er sie? Sie überlegt, ob ein anderer Weg nach Hause vielleicht besser wäre, um dieser unangenehmen Situation zu entkommen. Denn auch zu Hause ist sie allein. „Hallo, jetzt halte doch einmal an! Du hast etwas vergessen!“, ruft plötzlich eine tiefe Stimme, welche ihr eine Gänsehaut auf den Armen hinterlässt. Sie dreht sich um, prallt gegen die harte Brust des geheimnisvollen Jungen aus dem Zug und hätte beinahe Bekanntschaft mit dem grauen Asphalt gemacht, wenn er sie nicht im letzten Moment mit seinen starken Armen aufgefangen hätte. Mit einem Schlag verschwindet die Panik, welche sie vor ein paar Sekunden noch an ihrem ganzen Körper gespürt hatte. Mit großen Augen schaut sie in das Gesicht des Fremden und er spricht zu ihr: „Ist alles gut? Hast du dir wehgetan?“ Hastig versucht sie sich von seinem Griff zu lösen und antwortet schnippisch: „Verfolgst du mich etwa?“ Fassungslos starrt er sie an: „Wie bitte? Du hast deine Brille im Zug vergessen. Ein Dankeschön wäre vielleicht angebracht.“ Sie reißt ihm die Brille aus der Hand, dreht sich um und möchte ihren Weg gerade fortsetzen, als der Junge sie an ihrem Unterarm zurückzieht und grinst. „Ich heiße übrigens Stephan und bin neu im Dorf.“ Ob dies der Anfang einer unendlichen Liebe ist?
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