Der Blick zu den Sternen
Ich senke meinen Blick und setze mich auf die feuchten Steine des Platzes. Ich frage mich: "Kann ich noch? " Ich überlege, ob ich das Semester noch zu Ende bringen kann. Plötzlich läutet mein Handy. Es ist meine Nachbarin, sie fragt, ob ich noch herüberkommen kann, sie fürchtet sich alleine im Dunkeln. Die Nachricht holt mich zurück, aus meinen Gedanken, in den ewigen Teufelskreis des Lebens und schon als ich den ersten Schritt ins Haus setze, habe ich alles vergessen, was mir beim Blick in die Sterne klar geworden ist. . .
Zuvor:
Es ist Montagnacht und wie fast jeden Abend in den letzten zwei Jahren sitze ich vor dem Bildschirm. Die neue Staffel von "Stranger Things" ist erschienen und ich bin gerade am Ende der vorletzten Folge. Da wird es um mich herum plötzlich dunkel. Das Licht geht aus und zeitgleich schaltet sich auch der Fernseher ab.
"Verdammt", murmle ich ins Dunkle und taste mich vorsichtig bis zum Lichtschalter. Ich drücke ihn einmal, zweimal, dreimal, aber es wird nicht heller. Als ich mich in in das kleine Wohnzimmer meiner Wohnung Richtung Sicherheitskasten schiebe, stolpere ich fast über die alten Bücher meiner Oma, die sie mir zum Einzug in die Wohnung, vor zwei Jahren, geschenkt hat. Ich suche behutsam nach dem FI-Schalter und lege ihn um. Nichts passiert, auch nicht, als ich den Lichtschalter ein viertes Mal betätige.
Mein Blick schweift durch den Raum zum Fenster. Da sehe ich etwas. Hoch oben am Himmel. Es funkelt so schön. Ohne nachzudenken, verlasse ich über das Treppenhaus meine Wohnung. Ich trete auf den kleinen, von Hochhäusern umzingelten, Platz vor dem Eingang des Gebäudes. Die Straßenlaternen werfen ein weiches Licht auf den Boden, doch das fällt mir gar nicht auf. Mein Blick ist in den Himmel gerichtet. Über mir befinden sich unzählige Sterne, die ich nur als kleine Punkte auf dem tief schwarzen Nachthimmel sehen kann. Da erinnere ich mich zurück.
Vor zwei Jahren bin ich zum Studieren nach Wien gezogen. Es war schwer eine günstige Wohnung in der Nähe meiner Uni zu finden, aber hier, in einem der viele Stockhäuser rund um den kleinen Platz, habe ich mein neues zu Hause gefunden. Auch wenn ich mich hier nie wirklich zu Hause gefühlt habe. Aber das ist mir nie aufgefallen. Doch jetzt, jetzt wo ich mitten in der Nacht auf dem kleinen Platz vor meiner Wohnanlage stehe und in den Nachthimmel blicke, fällt es mir auf. Mir war auch klar, warum. Als ich noch bei meinen Eltern gelebt habe, sind wir oft abends draußen gewesen, um die Sterne zu beobachten, oder an sonnigen Tagen sind wir wandern gegangen, auf grünen Feldern und Wiesen. Aber seitdem ich hier wohne, ist das anders, morgens stehe ich auf und gehe zur Uni, danach lerne ich zu Hause und abends schaue ich bis in die tiefe Nacht Serien. Da bleibt keine Zeit für Ausflüge in die Natur. Jetzt wo ich hier draußen stehe, wird mir so vieles klar.
*ding*
Zumindest bis mein Handy zu klingeln beginnt.
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