Der Europäische Traum
Mein Leben lang war ich stolze Europäerin. Als Kind wurde mir beigebracht, wie wichtig die Europäischen Werte wie Demokratie, Gerechtigkeit und Menschlichkeit sind.
Zum Erwachsenwerden gehört nun einmal leider dazu, dass einem die rosarote Brille abgenommen wird und man mit der Zeit zu verstehen beginnt, dass in dieser Welt leider einiges ganz anders aussieht, als man das bisher gedacht hat.
Mittlerweile hat sich mein Heimatsbild drastisch verändert, denn dass dieses liberale und menschliche Europa, das ich als Kind so bewundert habe, schon lange nicht mehr existiert, wird in Zeiten wie diesen immer deutlicher.
Und auch die Haltung der österreichischen Regierung und die Werte, die sie nach außen vertritt, erwecken in mir alles andere, als das Gefühl von Stolz.
Nach der Machtübernahme der Taliban im August äußerte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz wiederholte Male zu der Thematik. Mit Aussagen, wie „Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen“ rechtfertigte er die Entscheidung, keine Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen.
Wie man sich strikt dagegen wehren kann, Menschenleben zu retten, ist für mich unverständlich.
Während wir uns also hier in Österreich an unserem Friede-Freude-Eierkuchen-Dasein erfreuen, werden in Afghanistan Menschen unterdrückt, gedemütigt und ermordet. Bekannterweise sind besonders Frauen betroffen. Im Internet kursieren Videos, wie sie auf öffentlichen Plätzen ausgepeitscht werden. Machtlos müssen sich dieser Demütigung ergeben. Umso mehr bewundere ich Frauen, die trotzdem kämpfen und an eine bessere Welt glauben.
Doch den Mut, sich dem System zu widersetzen, kann man nicht von jedem erwarten: der Großteil der Frauen traut sich nicht, das Haus zu verlassen. Sie gehen nicht mehr zur Arbeit, aus Angst, bemerkt zu werden.
Bei einem Anschlag auf eine Schule in Kabul kamen im Frühjahr über 80 Mädchen ums Leben. Man will ihnen die Bildung nicht gewähren. Man will ihnen die letzte Würde nehmen und ihnen jegliche Selbstbestimmtheit entziehen.
Sie werden nicht als Menschen gesehen, man geht mit ihnen um als wären sie Dreck. Dabei sind das Mütter, Töchter, Schwestern. Junge Mädchen mit Träumen, genauso wie ich.
Doch diese Fakten scheinen so manch einen Spitzenpolitiker der ÖVP nicht weiter zu beeindrucken. „Vielen Dank, dass du dein Leben riskiert hast, als du geflüchtet bist. Aber jetzt geh bitte wieder“ scheint die Devise der Österreichische Regierung ganz gut zu beschreiben. Man ist bereit, viel Geld nach Afghanistan zu schicken, Hauptsache diese Menschen kommen nicht in unser Land!
Dass man jenen, die es geschafft haben, aus diesem Alptraum zu fliehen, nicht helfen möchte, beschäftigt mich sehr. Dass die Europäischen Werte, auf die ich immer so stolz gewesen bin, die mir Sicherheit und Genugtuung gegeben haben, anscheinend so vielen Verantwortungsträgern nichts bedeuten, schockiert mich zutiefst. Denn Menschen im Stich zu lassen hat mit „Europäischen Werten“ nichts zu tun.
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