Der Fels im Meer
Ein Felsen, das ist die Hoffnung.
Ein Fels im Meer, das obwohl es verseucht von Angst und Ungewissheit ist, nicht vermag den Stein zu Sand zu schleifen.
Schau doch da! Wellen donnern über einen zerbrechlichen Körper hinweg, der einsam im Schutz des Felsens treibt und in seiner Verzweiflung mit dem Gestein verwachsen ist.
Dünn und kraftlos, wie ein schleimiger Algenstrang, treibt er da im Schutz des Steins, inmitten der grau-schwarzen Suppe, die auf Neptuns Herde brodelt. Ertrinkend in der Ungewissheit und geprügelt von der Sicherheit, die ihm der Felsen, der den Hoffnungsnamen trägt, bietet.
Keine Hände mehr sind die Krallen, die sich an die scharfen Kanten schmiegen und keine Haut mehr ist der blutige Fetzen, der das gebrochen Gerippe überzieht. Die Augen, einst strahlend der Sonne entgegen gerichtet, den Horizont nach dem Fantastischen absuchend, zucken nicht einmal mehr, als das Meer über sie hereinbricht.
Das Wesen des Fortschritts, das Wesen der Vernunft, der Wunder, der Liebe, des Lebens, der Leidenschaft. Was ist geblieben?
Der Fels, einst der Punkt, der die Welt überragte, der den Neugierigen die Unendlichkeit offenbarte, nun nicht mehr als ein Gefängnis. Herabgeglitten von der steinernen Krone, verloren wie Strandgut das der See als Spielzeug dient. Das ist das Wesens, das sein wahres Wesen verraten hat.
Der Fels ist noch da, warum ihn erklimmen? Für was lohnt es sich die toten Hände dem zerklüfteten, steinernen Haupt entgegen zu recken? Welche Worte würden die blauen Lippen flüstern um die Gnade herauf zu beschwören über dem Meer zu verweilen und sich den Horizont wieder zu eigen zu machen? Werden sie flüstern?
Reicht es nicht zu hoffen? Reicht es nicht sich fest zu klammern? Eins zu werden mit der einzigen Konstante, dem einzigen Ewigen, dass das Meer überdauert? Warum den Blick heben, warum nach Land suchen, wenn die Hoffnung doch ein fester Anker ist.
Den Anker zu lichten, das heißt Taten folgen zu lassen, das heißt neue Ufer erkunden, auf dem Rücken der Hoffnung nach ihnen Ausschau zu halten und sich in die Wellen stürzen.
Wird der Körper, kaum mehr als ein Schatten seiner selbst, ertrinken? Wird sein Streben mit dem Untergang bestraft werden? Oder wird er als Gottheit auf dem neuen Land wandeln und seine Vergangenheit mit einer glorreichen Zukunft überstrahlen?
Was wird passieren?
Die Gestalt zittert. Nicht vor Kälte, nicht vor Schmerzen, die Angst lässt sie beben. Sie hat verlernt auf der Hoffnung wie auf Schwingen zu reiten. Wie eine Fußfessel, die auf der Oberfläche dieses wütenden Meeres treibt, kommt sie ihr vor. Sie stört sich nicht daran, dass der raue Stein ihr die Haut von den Knochen reißt und die See sie unnachgiebig gegen den Felsen schleudert, als wollte sie sie ins offene Grab werfen.
Denn ein Grabstein ist aus der Hoffnung geworden. Ein Grabstein für Taten.
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