Der Fluch des Mutes
Oft fragen wir uns: „Bin ich zu ängstlich? Was würde passieren, wenn ich mutiger wäre?“ Und dann stellen wir uns vor, wie wir gemeinsam mit Superhelden kämpfen oder wie wir als Spion durch Gänge schleichen. Doch oft vergessen wir, dass auch kleine Taten sehr viel Mut abverlangen. Um jedem zu zeigen, was falscher Mut bewirken kann und wie wichtig auch kleine Taten sein können, erzähle ich euch eine Geschichte, die in einer fremden Welt stattgefunden hat.
In einer anderen Welt, ähnlich der unseren, lebten vor vielen Jahren mehrere Dörfer. Doch die Menschen hatten Angst vor wilden Tieren und kriegerischen Stämmen. Deshalb erschufen die Götter, die über diese armen Leute wachten, eine neue Kolonie: ein Kriegerstamm, voller Mut und Tapferkeit. Sie halfen den Dörfern und wurden immer beliebter. Diese Tapferkeit erreichte auch die normalen Dörfer und bald war so gut wie jeder ein großer Krieger. Doch mit vielen Kriegern gab es nur mehr wenig Gefahr. Bald gab es keine großen Taten mehr und bald waren Krieger nicht mehr beliebt und von Nöten. Sie waren nervig und trugen nichts mehr zum Dorfleben bei.
Also beschlossen die Kämpfer und Tapferen ihre eigenen Gräueltaten zu vollziehen. Somit konnten sie die Dörfer vor sich selbst retten. Die wenigen noch ehrlichen Dorfbewohner mussten erschrocken feststellen, dass ihre Ernte, ihre Häuser und ihre Stallungen niedergebrannt wurden. Voller Wut beobachteten die Götter dieses Geschehen und mussten feststellen, dass ihre perfekte Kreation zu der schrecklichsten von allen geworden war. In ihrem Übermut starben die meisten Krieger, da sie beim Versuch, das Feuer wieder zu löschen, selbst verbrannten.
Die Götter erkannten ihren Fehler und verfluchten jedes noch intakte Dorf. Keiner sollte mehr mutig sein; nur wenn wieder die wahre Größe von Mut erkannt wurde, sollte er wieder den Weg zurück in die Herzen finden. Und so vergingen die Jahre, bis der Fluch nur mehr eine Legende war und keine Person, ob Kind, Frau oder Mann, mehr tapfer war. Gebrochen wurde der Fluch erst mit kleinen Taten. Ein junges Mädchen öffnete den Leuten wieder die Augen.
Sie half jeder Person, die sie traf. Auch wenn sie sich dabei selbst überwinden musste. Obwohl sie Höhenangst hatte, half sie einer Katze vom Baum. Obwohl sie panisch bei dem Anblick einer Ratte wurde, half sie, die Scheune von solchen Tieren zu reinigen. Doch die größte Tapferkeit zeigte sie auf die Weise, die jeder Mensch haben sollte: als sie bedrängt wurde und man versuchte, ihr vorzuschreiben, wer sie sein sollte, beugte sie sich nicht.
Denn die schwierigste Aufgabe, die man bewältigen muss, ist die, der jeder Minute für Minute ins Auge blicken muss. Den Mut aufzubringen, man selbst zu sein, sich nicht zu verstellen, nicht immer nachzugeben, sich selbst treu zu bleiben. Dieser Mut ist der wichtigste und der, der am schnellsten aufgegeben wird. Und deswegen hatten die Krieger versagt und dieses kleine Mädchen nicht. Genau deswegen kann jeder mutig sein.
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