Der freie Fall
Es war ein kühler Herbsttag. Der Wind säuselte in meinen Ohren. Meine Hände fröstelten leicht von der Kälte. Ein leichter Nebelschleier war zu erkennen. Die eisige Luft brannte sich scharf meinen Hals hinunter. Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in warme, orangefarbene Töne. Langsam schlenderte ich einen dunklen Waldweg entlang, wobei sich die braunen Blätter um meine Beine schlangen. Die Gegenwart einiger Lebewesen machte sich bemerkbar. Der Tag verabschiedete sich allmählich und die Nacht brach herein. Die einzige Lichtquelle war die Straßenlaterne, die schon ein gewisses Alter erreicht hatte. Prompt wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, da ich ein Geräusch wahrnahm. Mit klopfendem Herzen versuchte ich herauszufinden, woher dieser Laut kam. Ich schreckte auf als eine kleine Katze aus einem Busch hüpfte und laut miaute. Das winzige Tierchen schmiegte sich an mich, als wäre ich ihr Lebenselixier. Kurz schwelgte ich wieder in Gedanken und dachte an meine Kindheit. Die Euphorie die ich als Kind spürte, war etwas, dass ich so nie wieder fühlen würde. Das unbeschwerte Denken, die Freiheit. Für einen langen Moment leistete ich dem Kätzchen Gesellschaft. Ich dachte viel über mein Leben nach. Obwohl die Katze mich wahrscheinlich nicht verstehen konnte, erzählte ich ihr viel über mein Leben. Meine Augen wagten einen Blick in den Himmel. Dieser Anblick faszinierte mich so sehr, dass ich mich nicht davon losreißen konnte. In Trance bemerkte ich nicht, wie das kleine Geschöpf sich von mir entfernte. Nach einiger Zeit schlief ich dann auch ein. Aufgeweckt wurde ich von dem blasenden Wind, der mir eine Gänsehaut verschaffte. Plötzlich erinnerte ich mich daran, warum ich eigentlich hier war. Mich selbst verfluchend, dass ich nicht auf die Zeit geschaut hatte und es jetzt stockfinster war, ging ich den Waldweg weiter entlang, der mich zurück zur Realität führte. Der Pfad brachte mich zu einem wunderschönen Platz, wo ich meinen Plan durchführen konnte. Ich blickte umher und genoss die Landschaft. Bevor ich diesen letzten Schritt wagen würde, ließ ich mein ganzes Leben noch einmal Revue passieren. Wie in einem Film spielte sich dieser Vorgang ab. Langsam schritt ich immer weiter nach vor, bis ich an der Klippe stand. Es fühlte sich so an, als würde mich eine Kraft davon abhalten mein Vorhaben fortzuführen. Doch wenn ich es jetzt nicht machen würde, würde es nie passieren. Also sprang ich. Diese Gefühle der Freiheit, der Stille und des Unbeschwerten umhüllten mich. Plötzlich war es vorbei. Ich spürte nichts mehr. Es schien, als wäre mein Leiden beendet. Jedoch wachte ich nach einer undefinierbaren Zeit wieder auf. Völlig perplex starrte ich auf die kahle Wand über mir. Wie konnte es sein, dass ich überlebte? Kann es sein, dass eine bestimmte Kreatur mich bei diesem Augenblick gerettet hatte? War es ein Schutzengel? Möglicherweise war ich dazu bestimmt zu leben und eine zweite Chance zu bekommen, um endlich glücklich zu werden.
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