Der freie Fall
Sie brachte mir bei auf eigenen Füßen zu stehen und mit ihnen die unebenen Landschaften dieser Erde zu gehen, ohne auch nur einen Moment das Stolpern fürchten zu müssen. Sie öffnete mir die Augen und erklärte mir wie ich mein Umfeld in all seinen Einzelteilen und leuchtend schönen Farben erkennen kann, ohne auch nur einen Moment fürchten zu müssen, den Glanz einer einzelnen Faser zu verpassen. Sie lehrte mich das Sprechen und Schreiben, durch welches es mir nun möglich ist ihre Makellosigkeit in all ihrer Vollständigkeit zu schildern, ohne auch nur einen Moment fürchten zu müssen, das winzigste Detail meiner Bewunderung auszulassen.
Sie war mein Wendepunkt.
Meine Liebe und Zuneigung sind ihr auf ewig versprochen, auch wenn sie dieser Realität schon entschwunden ist. Ihr Wissen und ihre Lieblichkeit waren zu enorm für diese kleine Welt und deshalb musste sie ihr entgleiten. Der Tod war ihre einzige Zuflucht.
Doch wie soll sich das Leben jemals wieder von diesem Verlust erholen, nachdem der Tod, welcher nun vor Bereicherung und unfassbarer Ehre wohl strahlen muss und nun wohl seinem Ruf niemals wieder gerecht sein wird, sich das Einzige genommen hat, wofür es sich zu leben lohnte? Selbst der Boden unter meinen Füßen vermisst den Rhythmus ihrer Schritte. Die Strahlen der Sonne vermissen die zärtlichen Berührungen ihrer Haut. Der Wind den Geruch ihres samtweichen Haars.
Und ich vermisse sie. Die Art, wie sie mich fühlen ließ und mich fühlte. Die Art, wie sie ihre Hüften von Seite zu Seite schwang während sie auf mich zuging. Die Art, wie sie mich ansah mit einem so leidenschaftlichen Feuer in ihren Augen. Die Art, wie sie sich ausdrückte und zum Denken anregte, wodurch sie mich Besonnenheit lehrte zu einem bedachtsamen Menschen erzog.
Sie war ihrer Zeit voraus.
Ich presse meine Augen zusammen. Ich kann nicht mehr. Ich balle meine Hände zu schweren Fäusten. Ich kann nicht mehr. Von einem Moment auf den anderen lasse ich immer lockerer, lasse vollständig los, entgleite dieser Welt Teil für Teil.
Ich kann nicht mehr.
Jetzt habe ich keine Angst mehr.
Sie ist meine Zuflucht.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX