Der geheimnisvolle Schrank
Im Herzen einer Stadt, verborgen hinter den hohen Mauern eines alten Hauses, lebte eine Uhrmacherin namens Heidi. Ihr Leben war ruhig und einfach, doch in ihrer Werkstatt schlummerte ein Geheimnis, welches nur die wenigsten kannten. Heide war nicht nur begabt im Uhren reparieren, jedoch hatte sie auch die Fähigkeiten, Augenblicke einzusammeln und sie in winzigen Kristallen aufzubewahren.
Zahlreiche Menschen aus der Stadt kamen zu ihr und ließen deren Uhren reparieren. Doch während sie an den feinen Zahnrädern arbeitete, lauschte sie ihren Geschichten. Ihre Sammlung bestand nicht aus Erinnerungsstücken oder Bildern, sondern aus gläsernen Fläschchen, jedes befüllt mit einem Kristall, welche sie in einem verborgenen Schrank aufbewahrte.
Da war das Fläschchen mit dem ersten Sonnenstrahl eines Frühlingsmorgens, daneben stand ein Fläschchen, welches ein Kinderlachen in sich trug. Ein anderer Kristall zeigte das Schimmern der Sterne in einer Winternacht, so rein und still, dass man die Kälte auf der eigenen Haut spüren konnte.
Eines Abends, als die Uhrmacherin sich nach einem langen Tag zur Ruhe setzte, bemerkte sie etwas Komisches. Die Dunkelheit erfüllte den Raum, doch ein kleines Licht schimmerte aus der Ritze des Schranks. Neugierig trat die Frau näher und öffnete die Tür. Jeder Kristall füllte sein Fläschchen mit einer sanften, fast sogar verblassten Farbe. Jedes Fläschchen jedoch eine eigene. In diesem Moment begriff die Uhrmacherin, dass ihre Sammlung vollständig war und die Augenblicke miteinander verschmolzen.
Die Frau lächelte. Sie begriff, dass ihre Aufgabe erfüllt war. Sie hatte die Zeit nicht aufgehalten, sondern die Magie des Augenblicks bewahrt. Als sie noch ein letztes Mal ihre Augen schloss, öffnete sie sie in einer Welt, in der jeder Moment ewig andauerte. Die Frau wusste das sie für immer ein Teil dieser Geschichte sein würde.
So blieb ihre Werkstatt leer, doch ihre Sammlung lebte weiter. In jedem von uns lebt eine kleine Sammlung an Augenblicken, die unser Leben erfüllen.
Jahre vergingen und die Werkstatt geriet langsam in Vergessenheit. Das Gebäude verfiel und die Kletterpflanzen überwucherten die Wände. So als wollte die Natur die Erinnerungen an die Uhrmacherin und ihre Sammlungen für sich beanspruchen. Obwohl der Ort selbst still und verlassen war, lebte etwas in ihm weiter, verborgen hinter einem alten Schrank, dessen Türen seit dem letzten Abend der Uhrmacherin unberührt blieben.
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