Der gelbe Luftballon
Das leuchtende Gelb glänzte in der Sonne, als Mina über den Platz ging. Frauen saßen in den Cafés, während die Sonne vom Himmel strahlte. Spatzen hüpften unter den Tischen auf der Suche nach Bröseln. Der Wind fuhr durch Minas rotblondes Haar, riss es nach hinten, und der Luftballon zog an der Schnur. “Ja, das wäre schön", dachte Mina, "einfach wegschweben und die Welt sehen. Dann würde ich nach Afrika fliegen und die Zebras beim Grasen sehen oder mit den Eisbären am Nordpol Eis essen. ” In Gedanken versunken blickte sie in den Wolkenhimmel. Der Wind zog noch immer an der Schnur, so fest, dass es ihr den Arm nach hinten riss und sie stolperte. Doch statt einem Schlag, mit dem sie auf das Pflaster fallen würde, spürte sie, wie ihre Füße den Boden verließen und ein starker Windzug blies ihr die Haube vom Kopf. Wie sie die Augen aufschlug, erkannte sie, wie unter sich der Platz immer kleiner wurde. Immer weiter trug sie der Luftballon. Als Mina ihren Blick nach unten lenkte, sah sie die Stadt. Der schwarze Rauch einer Fabrik schlug ihr ins Gesicht. Er kroch ihr in die Lunge, kratzte mit seinen langen Fingern im Hals und trieb ihr vor lauter Husten die Tränen in die Augen. Bald war Mina aus der Stadt geflogen, über Autobahnen voller Autos und Straßen, die in die grüne Landschaft führten. Sie freute sich: “Vielleicht werde ich endlich ein Reh oder einen Hasen im Wald sehen! ”. Doch als sie die Tannen erblickte, weiteten sich ihre Augen. Verlassen lagen die gerodeten Bäume im Matsch. Traurig ließen die Übriggebliebenen ihre Äste hängen und kein Laut war zu hören. Mina flog stumm über diese trostlose Landschaft und wurde bald von einer neuen Böe erfasst. Die weiß-grauen Wolken umschlossen sie und ließen sie ein wenig lachen. Denn mit den Wolken schweben war schon immer ihr Traum gewesen. Von fluffiger Watte umschlossen, das Lächeln im Gesicht flog sie durch diese weiße Landschaft. Als die Wolken sich wegschoben und ihr den Blick auf die Welt unter ihr ließen, erkannte sie große, von dunkelblauem Wasser umschlossene Eisblöcke. Der Wind ließ den Schnee aufwirbeln, schoss um den Luftballon und ließ das Mädchen vor Kälte erzittern. “Brr, ist das kalt! ”, schrie Mina zu den tanzenden Wellen voller Plastik hinunter und klammerte sich noch fester an die Schnur. Da erhob sich ein Brausen, krachende Laute waren zu vernehmen und ein Eisberg stürzte ins Meer. Doch bevor Mina sich Gedanken darum machte, wurde sie auf die schwarzen Wolken aufmerksam. Donner grollte in ihren Ohren und zuckendes Licht war zu sehen. Wassertropfen stürzten sich auf sie. Der Wind sauste ihr um den Kopf, ließ sie die Augen schließen, es donnerte immer mehr. Plötzlich verklang alles. Graues Pflaster war unter ihrem Rücken zu spüren. Vorsichtig spähte sie durch ihre Augenlider. Ihr gelber Luftballon schwebte über ihr und die Spatzen waren noch immer auf Futtersuche. “Was wird denn aus den Eisbären? ”, dachte Mina, bevor sie aufstand und weiterging.
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