Der Gram des Herrn Fiasko
Es war stickig. Stickig und alles andere als ruhig. Menschen lachten und gaben entsetzliche Laute von sich. Ihn störte das. Er war gekommen um zu sitzen, nicht um sich zu quälen. Er saß und schaufelte. Kuchen. Ganz unbewusst. Daneben stand Espresso. Kirchenglocken in der Ferne schellten in den falschesten Tönen. Da knallte jemand mit der Tür. Ganz plötzlich, ohne Ankündigung.
Ein Passant von draußen. Der Eindringling unterbrach das Gelächter. Er war ausgesprochen nass und prustete vor sich hin. Er kam näher und ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen.
Dieser Eindringling war einfach gekommen und hatte sich fallen gelassen. Er merkte, wie er innerlich unruhig wurde und sich gleichzeitig dazu entschied Gelassenheit von sich zu behaupten.
„Heute ist’s ausgesprochen kalt. Wie kalt ‘s doch ist, denken Sie nicht. Mir ist’s kalt.“, begann er ein Gespräch.
Der Passant sah ihn schräg von der Seite an.
„Freilich. Warum sollt’s das auch nicht sein. Wüsst‘ nicht wie ‘s regnen und dann gleichzeitig noch warm sein sollt‘. Der Regen ist die Pest!“
„Hm, ich dacht‘ eher an die Wärme des Sommers, als –“
„Der Regen ist die Pest! Nicht? Nicht? Versuchen S‘ gar nicht erst zu widersprechen. Ist ja scheußlich.“
Er sah schlagartig unsicher aus. Etwas blass. Etwas geknickt.
„Mag sein, mag sein.“
„Geh bitte! Nun sein S‘ doch nicht so. Sie sitzen doch eh hier wie ein begossener Pudel. Da ist’s doch klar, dass Sie auch vorm Regen geflohn sind!“
„Mag sein, mag sein.“
Er war nicht vor dem Regen geflohen. Er war gekommen, weil er sitzen wollte.
„Sagen S‘ haben S‘ denn schon die Baustelln gesehn. Die draußen.“
„Welche?“
„Alle! Alle! Das ist’s ja! ‘S hört nicht mehr auf. Irgendwann gibt’s die Welt nicht mehr.“
„Ach was. Wo sollte denn der Mensch leben, wenn –„
„Geh bitte, der braucht nicht zu leben! Sterben, sterben sollen alle.“
„Warum fangen Sie denn nicht bei sich selber an, wenn Sie denn doch so Wert drauf legen.“
„Bitte? ‘S war recht leise.“
„Mag sein, mag sein.“
Der andere starrte recht grimmig. Beide Augenbrauen so weit unten, dass man hätte meinen können sie wären ihm ans Kinn gewachsen. Er hingegen schaute. Auf den Boden. Der Eindringling rümpfte nur die Nase, und ekelte vor sich hin.
„Wissen S‘, Sie habn recht wenig Meinung.“
„Von was?“
„Allem. Allem.“
„Mag sein, mag sein.“
Der Espresso war kalt geworden. Er weilte, so ganz ohne Zucker und Milch, und jede Minute, in welcher er nicht getrunken wurde, machte ihn noch ungenießbarer.
Nach einiger Stille dann:
„Geh bitte, Sie machen mich verrückt!“
„Ihr Dialekt tut’s mich auch.“
„Was? Was?“
„Nichts! Nichts! Mag sein, mag sein!“
Ihm kamen endlich wieder die Erinnerungen an den dunkel gerösteten Kaffee und so nahm er ihn, roch dran, spürte die Kälte, und ließ das Weitertrinken lieber sein.
Da stand er mit einem Ruck auf, kramte in seiner Hemdtasche vorn bei der Brust und zog eine zerknautschte und leicht aufgeweichte Zigarettenschachtel heraus. Er presste sie dem andern direkt ins erstaunte Gesicht. „Nehmen Sie’s. Für die Nerven. Und dann gehn S‘. Bitte!“
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