Der letzte Eintrag
Eintrag 642.
Dies wird mein letzter Tagebucheintrag, so hoffe ich zumindest. 642 Tage und heute, ja heute, könnte – nein muss es zu Ende gehen.
Mein Großvater erzählte mir noch von grünen Wiesen, Wäldern, frischer Luft, sauberem Wasser und all diesen Dinge, die ich niemals gesehen habe und die niemals wieder jemand sehen wird.
Manchmal glaube ich, das sind alles nur Geschichten, der Fantasie eines alten Mannes entsprungen, niemals Wirklichkeit, niemals Realität.
Vom Krieg erzählte er – vom großen Ressourcen-Krieg, vom Wasser-Krieg – von Autos, die mit Öl, er nannte es Benzin oder so ähnlich, angetrieben wurden, von Flugzeugen, die mithilfe von Kerosin flogen und hunderte Menschen in andere Länder verfrachteten und generell von der Technologie, die es damals gab.
Als er ein junger Mann war, wurde der letzte Tropfen Öl gefördert, der letzte Kubikmeter Gas aus der Erde geholt und der letzte Rest Wasser hochgepumpt. Dinge, die wir seit langer Zeit nicht mehr kennen.
Die Menschheit hat sich verändert, lernte, ohne all diese Dinge auszukommen, aber es war zu spät – viel spät… Zu spät für Veränderung, zu spät für Umweltschutz, zu spät, um das umzukehren, was Generationen zuvor nicht beachten wollten, verdrängt hatten, oder sich einfach nicht darum gekümmert hatten.
Unser Planet stirbt nicht, unser Planet ist tot.
Vor 642 Tagen startete was bisher als einzigartiges Projekt auf der Welt angesehen werden konnte – als Meilenstein der Menschheitsgeschichte, als Höhepunkt menschlichen Schaffens, Wirkens und Denkens…
Projekt „Arche“ – und ich, ja ich durfte die letzten 642 Tage daran teilhaben…
Heute startet sie – die Rettung der Menschheit – unserer Erde – unsere Zukunft.
Aufbruch zu neuen Ufern, Aufbruch in eine bessere Welt – in eine Zukunft geprägt durch unsere Vergangenheit, geprägt durch Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Versagen, Angst, Gewalt und dennoch ebenso geprägt von Hoffnung – Hoffnung, dass das Projekt „Arche“ uns einen Neustart ermöglicht und sich die Menschen daran erinnern, was war und darauf konzentrieren, was sein wird.
Der Countdown hat begonnen – von meinem Fenster im Kontrollzentrum sehe ich die Startrampen. Wie so oft saß ich hier, blickte hinaus und dachte – „Meine Güte, hoffentlich funktioniert das alles! Haben wir alles bedacht?“ –
Da … jetzt startet die erste Arche – Meine Güte - was für ein Anblick. Wunderbar. Die Nächste startet und die Nächste . . . ALLE starten – keine Fehler – keine Störungen.
Wie Kometen, die sich von der Erde wegbewegen, Lichtstreifen am Horizont -oh mein Gott wie kitschig – die Tränen laufen. Wir haben es geschafft.
Alles wird gut – wir haben eine Zukunft.
Tagebucheintrag ENDE
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