Der letzte Mensch
Wir schrieben den 29. Juni 2050. Ich war der letzte Überlebende eines Atomkraftunfalles. Meine Familie, meine Freunde und jedes einzelne Lebewesen war tot. Außer ich. Manchmal fragte ich mich, warum genau ich der letzte Mensch der Erde bin. Was war an mir so besonders und warum konnte ich nicht auch einfach tot sein wie jeder andere. Vor genau einem Monat war mein Leben noch normal. Morgens wünschte mir meine Mutter einen schönen Tag und lächelte mich dabei stolz an. Da wusste ich noch nicht, dass ich diesen Anblick nie wieder haben werde, denn ab 12 Uhr mittags blieb die Welt stehen. Sirenen ertönten in der ganzen Stadt, so laut, als wären sie in meinem Trommelfell. Überall Polizisten, Krankenwägen und schreiende Eltern, die ihre Kinder nicht mehr fanden. Einsatzkräfte hatten mysteriöse Ganzkörperanzüge aus Plastik an und trugen riesige Gasmasken, mit denen sie aussahen wie Aliens von einem anderen Planeten. Zuerst wusste ich nicht, was gerade geschieht, doch als ich auf meinem Handy die Nachrichten las, wurde mir schnell einiges bewusst. In diesem Moment habe ich realisiert, dass wir alle verloren sind. Eines der größten Atomkraftwerke der Welt hatte einen Unfall und somit konnten nun alle Strahlen in die Außenwelt dringen. Ich rief sofort meine Mutter an, und sie wusste ebenso wie ich, dass wir uns gerade das letzte Mal hörten. Es zerbrach mir mein Herz, sie mit zittriger und ängstlicher Stimme zu hören, und als sie sagte, dass sie mich liebte, sank mein Herz plötzlich wie ein Ziegelstein ins Wasser. Alles fühlte sich nur noch schwer an. Ich war müde und ausgelaugt von diesen dunklen und schweren Gedanken. Ich verkroch mich in der Turnhalle meiner Schule, entschied mich aber endlich, nach 19 Stunden, mein Versteck zu verlassen und mir den Stand der Dinge anzusehen. Ich war schockiert, als ich endlich das Tageslicht wieder sehen konnte. Die Straßen, Autos, Häuser alles war leer. Mir wurde schlecht. Auch mein Telefon funktionierte nicht mehr. Ich sah mich in meiner ganzen Stadt um, sah hunderte Leichen und merkte auch langsam, wie ich immer schwächer von den Strahlen wurde. Ich war der letzte Mensch. Niemand hat es überlebt, selbst die Bienen und Schmetterlinge lagen regungslos auf dem Erdboden. Ich wusste, wenn ich in den nächsten zwei Stunden nichts unternehme, werde ich langsam und qualvoll krepieren. Das wollte ich auf keinen Fall. Außerdem wusste ich, dass es keiner meiner Familie oder von meinen Freunden geschafft hat. Wir wohnten in einem Hochhaus. Ich wusste, es war die richtige Entscheidung. Ich zählte die Treppen, bis ich auf dem Dach war. Meine Lunge fühlte sich von Stufe zu Stufe schwerer an. Als ich die Tür zum Dach öffnete, verspürte ich ein Gefühl von Erleichterung. Mit Ehre möchte ich diese Welt als der letzte Mensch verlassen, und somit ging ich bis zum Rand des Daches und sprang. Nun war auch der letzte Mensch auf dieser Erde tot und so konnte eine neue Ära beginnen, eine neue Welt. Doch diesmal sollte sie besser werden.
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