Der letzte Wille
Michael“Mike” Walsh's Tod war ein Schock für alle. Nicht zuletzt für ihn selbst. Gerade noch zählte er seine Einnahmen, mit einer schönen Frau auf dem Schoss, und dann war er tot. Herzversagen, hatte der Doktor gesagt. Zweifellos ein tragischer Verlust. Und doch, die Beerdigung war alles andere als gut besucht. Besonders wunderte das allerdings niemanden. Selbst zu Lebzeiten war er nicht besonders beliebt gewesen, und sein verfrühter Tod hatte daran herzlich wenig geändert.
Die Testamentseröffnung dagegen war eine andere Sache. Die Walsh Familie war eine klassische Großfamilie, mit Ablegern auf der ganzen Welt. Und alle waren sie gekommen, um zu erfahren, was nun aus Michaels beachtlichem Vermögen würde.
Die Zeremonie war bereits im Gange als Marcus eintraf. Das Haus, geradezu lächerlich groß, war zum Brechen voll mit Verwandten, alle in Schwarz gekleidet. Aus dem Augenwinkel erhaschte er einen Blick auf seine Nichte Nina, wie sie einen Teil des wertvollen Dekors in ihrer Manteltasche verschwinden ließ.
Seufzend wandte er sich zu dem hastig errichten Podium, wo sich ein verschwitzter junger Notar hörbar räusperte. “Nun da auch unser letzter Gast eingetroffen ist, werde ich mit der Lesung des Testaments beginnen. ” Nach einer dramatischen Pause fuhr er fort. “Zu Beginn, lassen sie mich Ihnen, der Familie mein tiefempfunde. . "
“Schon gut, schon gut” unterbrach ihn einer der Anwesenden. Der Zwischenrufer, Michaels älterer Bruder Tommy, wedelte ungeduldig mit seiner Hand. "Können wir den Teil nicht überspringen? Wir sind ohnehin schon spät dran. Sagen Sie doch einfach wer was bekommt. Dafür sind wir doch alle hier! "
Zustimmendes Gemurmel macht sich im Saal breit.
Marcus verdrehte die Augen. Michael war ihm kein schlechter Onkel gewesen. Arrogant und unhöflich sicher, aber er konnte auch verdammt lustig sein. Dieses schalkhafte Funkeln in seinen Augen. Wenn alle anderen dachten er meinte es ernst, Marcus sah es, manchmal zusammen mit einem kleinen Zwinkern, das Michael ihm zuwarf. “Ähm gut”, der nun sichtlich schwitzende Notar fuhr fort. "Ich muss Sie warnen, es könnte eine unangenehme Überraschung auf sie alle zukommen. " Tommys Miene verfinsterte sich. “Verdammt, jetzt spuck’s schon aus”, fauchte er und drohte dem Anwalt mit dem Finger.
“Natürlich”, sagte dieser, als er ein Blatt Papier aus seiner Tasche zog. “Hiermit teile ich Ihnen mit, dass Michael sein gesamtes Vermögen an verschiedene gemeinnützige Organisationen gespendet hat. Das schließt sowohl das Haus, als auch die Yacht in Nizza mit ein. ” Der Schock war fast greifbar. Als niemand wagte das Wort zu ergreifen, fuhr er fort. “Hier”, er deutete auf das Blatt Papier in seiner Hand, habe ich eine letzte Nachricht von Michael. Wollen sie sie hören? Die Anwesenden konnten nur ohnmächtig nicken. “Es sind nur 2 Worte. ” Er räusperte sich“Sie lauten . . . Geh bitte”
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