Der letzte Wille
Es ist nur ein Wille, der zwischen Erfolg oder Versagen, Gewinn oder Niederlage, Freude oder Trauer entscheiden kann. Meist ist es nur dieser Bruchteil eines Bruchteils von Wimpernschlag, der die Goldwaage von Tod und Leben in Bewegung setzt.
Nun, so ist es in einer Kriegslegende überliefert worden, lange vor unserer Zeit. Aber so endet diese Geschichte nicht, es ist erst ihr aller Anfang. Deswegen horche mein Genosse oder meine Gefährtin, was mir einst der Bruder eines Freundes dessen Großonkel berichtete, entschuldige den Schreck am Anfang:
BAAMM.
Ein Knall, ein unerträglicher. Der Schützengraben links von ihm explodiert. Dichter Staub brennt in seinen Augen und faustgroße Steine überschütten ihn. Wenn die Steine ihn nicht lebendig begraben, wird er wohl an seinem Schweiß ertrinken.
Denn gibt Sachen an die gewöhnt man sich
NICHT.
Aber jetzt Schluss mit dem vielen Denken, es ist ihm ja nicht erlaubt. Muss der einfache Fußsoldat sowieso nicht. Nur rennen, durch Rennen bekommt man Gebiet, und wer mehr Gebiet hat, gewinnt den Krieg. Aber nicht nur so gewinnt man Krieg. Denn kein noch so erfolgreicher Gebieter kann eine raffinierte, robuste Ausrüstung ersetzen. Da bekanntlich die Infanterie kämpft, die Artillerie gewinnt. In anderen Worten: Wenn du ein lautes Summen hörst, dann duck dich. Ach, er darf nicht denken
Ratatatatata
Rechtzeitig noch auf die Seite gesprungen. Bevor das Maschinengwehr andere 97 reaktionslahme Körper fleischwolft. Denn es mag stimmen, dass tote Körper auch Gebiet besetzen. Aber sie können es nicht halten.
Wieder denkt er zu viel, er muss nach vorn. Wie bei einem Rennen, nur gibt es keine Sieger und Gewinner. Doch trotzdem hält er eisern Stellung, während seine Kameraden laufen. Es ist das letzte Mal, dass er sie in dieser gesunden Statur sieht. Er tut wieder nichts, denn er denkt: Er will nicht so wie die anderen enden, er will nicht verenden.
Alles zerfällt, alles brennt. Der Feind kommt immer näher. Die Offiziere bereiten sich auf ihren Untergang vor und reißen ihre Ränge vom Leib. Es ist verloren.
Noch nicht. Denn er hat zuende gedacht.
Er nimmt Waffe, Herz und alles Übrige in die Hand. Nun ist die Zeit gekommen, er stürmt. . . . .
Nun, hier trifft die Geschichte ihr Ende. Der Leser mag sich nun fragen: Was hat dieser Mann Besonderes vollbracht? Hat er überlebt? Hat er eine Ehrenmedaille verdient oder hat ihn gleich der erste feindliche Schuss getroffen? Was unterscheidet ihn von all den anderen tapferen Kämpfern? Horche mein Genosse oder meine Gefährtin: Es war nicht sein Rang, der ihn auszeichnete, noch sein Status. Sein Gewehr war auch nur billige Massenproduktion.
Der Mann besaß eine Fähigkeit, eine, die man nicht vererben oder kaufen kann. Er hat einen ungeschliffenen Gedanken zu einer Tat geformt. Er hat etwas gezeigt, was man selten sieht:
Mut.
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