Der Mann auf der Straße
Schneller. Immer schneller, das war der einzige Gedanke in meinem Kopf. Die volle Leistung aus meinem Auto zu holen wollte ich schon lange probieren. Diese Nacht war es so weit. Ich hatte mir eine ruhige Umgebung ausgesucht und war nun mit vollem Tempo auf den dunklen Straßen unterwegs. Weit und breit schien kein Mensch unterwegs zu sein und ich fühlte wie das Adrenalin durch meine Adern schoss. Gerade bog ich um eine weitere Kurve, als plötzlich eine Gestalt in der Straßenmitte stand. Ich stieg auf die Bremse, doch zu spät. Mit einem dumpfen Geräusch rammte ich die Person.
„Tot“, lautete die Schlussfolgerung der Behörden. Ich war nicht in der Lage ein Wort zu sagen, zu sehr stand ich unter Schock. Wie hatte das geschehen können? Kaum bekam ich die nächsten Stunden und Tage mit. Schlaflos lag ich in meinem Bett während sich der schlimmste Moment meines Lebens immer und immer wieder vor meinem inneren Auge abspielte. Ich erinnerte mich an den Augenblick als ich realisierte was ich getan hatte, wie ich mit zittrigen Händen die Nummer der Rettung wählte und unter Tränen beichtete was passiert war. Wie ich gehofft hatte, es sei einfach nur ein Albtraum gewesen. Doch ich wachte nicht auf.
Zuletzt kam mein Gerichtstermin, ich wurde zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Ich frage mich oft wie mein Leben wohl ausgesehen hätte, wenn ich damals nicht das Tempolimit ausgetestet hätte. Jeden Tag bereute ich meine Entscheidung. Durch meine unüberlegte Tat war einem Menschen das Leben genommen worden. Und in den Jahren, die ich nun alleine in einer Zelle verbringen musste, während mich die Vergangenheit nicht ruhen ließ, wäre ich vielleicht in meinem Job befördert worden. Vielleicht hätte ich sogar eine Familie gegründet oder ein Haus gekauft. Doch ich werde mein Leben nie weiterleben können wie ich es womöglich vor dem Unfall getan hätte. Doch zumindest blieben mir noch ein paar Jahre meines Lebens, was mehr war als man über den Mann auf der Straße behaupten konnte.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:




















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX