Der Pullover, der Faden und das Nadelöhr
Ich saß eines Nachmittags draußen an der frischen Luft und genoss die letzten Sonnenstrahlen, die ich erhaschen konnte. Morgen hatte meine Oma Geburtstag und ich musste mich dringend um ihr Geschenk kümmern.
Es gab da einen Pullover, den ich für mein Leben gerne anzog, und jedes Mal bekam ich von meiner Großmutter Komplimente, wenn ich diesen anhatte. Allerdings bekam dieser ein kleines Loch und seit diesem Zeitpunkt zog ich ihn nicht mehr an. Nachdem mir längere Zeit kein passendes Mitbringsel eingefallen ist, beschloss ich, meiner Oma diesen Pullover zu schenken, den sie ja selbst immer bewundert hatte. Einziges Problem war nur, dass ich in irgendeiner Art und Weise das Loch flicken musste. Also machte ich mich auf die Suche nach Nadel und einem passenden Faden und wollte anfangen zu nähen. Hingegen war das nicht so einfach wie gedacht, denn ich bekam den Faden nicht und nicht in das Nadelöhr, und egal, was ich versuchte, es funktionierte nicht. Nach unzähligen weiteren Versuchen gab ich auf. Ich beschloss, eine Runde Laufen zu gehen, um auf andere Gedanken zu kommen.
Wieder daheim angekommen, setzte ich mich hin und versuchte erneut, den Faden in das Nadelöhr zu bekommen. Es war zwecklos. Ich war verzweifelt und frustriert, als plötzlich meine Oma neben mir stand und sich erkundigte, wie es mir gehe. Genau schilderte ich ihr die Situation, und sie reagierte überhaupt nicht überrascht. Sie nahm den Zwirn in die Hand, fädelte ihn problemlos durch das Nadelöhr, und in wenigen Sekunden war das erreicht, was ich längere Zeit probiert hatte.
Der Pulli war geflickt. Meine Begeisterung war groß und ich bedankte mich bei meiner Großmutter. Nachdem sie kurz vor dem Aufbrechen war, sagte ich, dass ich es bereits unzählige Male probiert hatte, allerdings ohne Erfolg. „Geh bitte, wir wissen doch alle, dass du handwerklich kein bisschen begabt bist. Konzentriere dich lieber auf die Sachen, die du kannst, und nicht auf die, die du nicht kannst. Und lass dich schon gar nicht von so Kleinigkeiten unterkriegen, das ist sinnlos.“, sagte meine Oma.
Am Tag danach schenkte ich ihr den Pullover, und sie war zutiefst erfreut, ihn von mir erhalten zu haben. Ich gestand mir ihre Weisheit ein und seitdem kontaktierte ich bei jeglichen handwerklichen Arbeiten unverzüglich meine Großmutter. Denn sie sprach wahre Worte.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:




















Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX