Der richtige Zeitpunkt
"Ich liebe dich. "
Mein Atem geht schwer bei dem Geständnis. Du siehst mich an und sagst zuerst nichts.
"Es tut mir leid. " Deine Stimme ist ruhig, nicht von Schuld erfüllt, wie ich es mir gewünscht hätte. Deine leeren Augen treiben flammende Röte in meine Wangen. Neben der Scham beginnt sich ein zweites Gefühl in mir zu regen: der Schmerz. Er ist nicht spitz und stachelig, wie die Stängel einer Rose. Er ist langsam wie der Morgennebel, nur dass der Schmerznebel sich nicht legt, sondern immer dichter wird. Der Nebel schwebt von meinem Kopf in meinen Hals, sodass sich darin ein Kloß bildet. Es scheint mir, als könnte ich nicht atmen, alles verschwimmt vor meinen Augen. Ich liebe dich doch mit allem, was ich habe. Meine Liebe ist ein Feuerwerk, ich bin ein Feuerwerk! War ein Feuerwerk, denn jetzt sind meine Funken abrupt in der Dumpfheit verloschen, die mich umgibt. Noch raucht meine Liebe, weigert sich aufzugeben, wie ein Lagerfeuer, auf das man Wasser gießt, sodass es zischt und knallt. Doch ich bin sicher, dass meine Liebe vergehen wird, jetzt, da sie mit dem Wasser der Realität überschüttet wurde. Und doch bemitleide ich jene, die noch nie ein schillerndes Feuerwerk im Herzen gefühlt haben. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt. . .
Ich kam mir immer vor wie der Geist eines Menschen, mein Leben ein Geist, der seinen Lebensatem nur aushaucht und nichts einatmet. Jeder Tag gleich, jede Stunde so fürchterlich langsam, aber die Jahre unglaublich schnell. Und dann kamst du. Ich habe es kein bisschen kommen sehen, es ist ganz schleichend passiert. Eines Tages kam einfach die Erkenntnis, dass ich durch dich kein Geist bin, sondern lebe und einatme. Zuerst war ich überrascht und hatte Angst, wie sehr du mich verändert hast, vielleicht nicht äußerlich, aber innerlich. Ich konnte mir nicht erklären, wie es passiert ist, dass ich mich verliebt habe. Der erste Moment, in dem es mir bewusst wurde, war in der Schule, als ich in der Mensa saß. Ich stocherte in dem Essen, das ich nicht schmeckte. Gelangweilt beobachtete ich die Menschen um mich herum und mein Blick fiel auf dich. Du saßt einen Tisch weiter und bemerktest mich nicht. Ich konnte meine Augen nicht von dir lassen, du warst zu wunderschön, um einen Augenblick von dir zu verpassen. Dann begannst du zu lachen und plötzlich hatte die Welt um mich herum Farben. Ich erwischte meine Gedanken, wie sie es bereuten dich abgewiesen zu haben, als du mir deine Liebe gestanden hattest. Es gab nichts, was ich nicht tun würde um diesen Moment noch einmal zurückzuholen. Jetzt wäre meine Antwort anders. Ich konnte nicht fassen, dass ich dich verpasst habe.
Ich sehe die Welt, wie sie ist, mit ihrer Zuversicht und ihrer Zerstörung. Ich habe versucht, sie zu verstehen und mit ihr zu leben, aber es ist hoffnungslos. Gestern habe ich zwei Menschen beobachtet, deren Liebe wie zwei Uhren war, die in verschiedenen Geschwindigkeit schlugen. Ich konnte das Universum lachen hören. Tja, jeder lebt in seinem eigenen Tempo.
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