Der schmale Grat zwischen Versöhnung und Verlust
Ich mein‘, genug ist doch wirklich genug! Genug von der Ausbildung, genug von der Familie, genug von Freunden, genug von Allem. Wenn man vom Teufel spricht… „Ich geh schlafen, gute Nacht. " „Ich liebe dich auch.“ Genug von Streitereien, und, oh Gott, genug davon, dass einem ein Streit tagelang nachgetragen wird. Wenn man in Wahrheit genug von sich selbst hat, dreht man eben mal durch. Genug verronnene Tränen und genug hingeschmissene Nerven. Kein Wunder, dass man genug hat. Hmm… genug von sich selbst haben. Ja, das muss es sein.
. . . „Aber Ena, das ist doch unfair!“ „So, jetzt hab‘ ich aber genug für heute!“ Einen solchen Satz von einer Dreijährigen zu hören ist wohl das Mitbringsel der neuen Generation Z; und das nur, weil man ihr erklärt, dass man beim Versteckenspielen nicht mogelt… Ob sie wohl auch schon genug von sich selbst hat? Drei Jahre nachdem sie das Licht der Welt erblickt hat?
Man kann es niemandem übel nehmen genug zu haben. Genug zu haben ist doch nicht weiter schlimm… zumindest solange man sich schnell wieder fasst. Doch der Grat zwischen Versöhnung und Verlust kann schon mal schmal genug sein, um in der Verzweiflung überzuschwenken. Man riskiert einen Menschen, den man über alles liebt, zu verlieren; bloß weil man genug von sich selbst hat. Wahrscheinlich ist ER nun an dem Punkt angelangt, an dem er genug hat. . . Seinen inneren Schweinehund nur noch einmal überwinden und ein letztes Mal sich aufrichtig entschuldigen oder ihm einfach Zeit lassen? Ach was, ich habe genug davon, dass er denkt, dass nur mir alles genug ist. Genug von der Arbeit, genug von den Geschwistern, genug von der Stadt. Ich warte ab, dass er das Gespräch sucht. Immerhin möchte ich mich auch, wenn ich genug habe, so ganz für mich alleine sammeln. Man sagt doch "Sabr" haben. Das bedeutet die Tugend des Wartenkönnens, des Geduldigseins, Standhaftigkeit beweisen und nicht von seinen Träumen lockerlassen. "Es tut mir leid, ich hatte gestern einfach genug. Es hat sich alles die letzten Tage angesammelt. Ich liebe dich doch, das weißt du. Wir sehen uns beim Abendessen nach der Arbeit. "
Auch wenn man wahrlich genug hat, reiht sich alles wieder - wenn man geduldig ist - ein; doch alles, das sich auch mit größter Mühe und Not nicht einreihen lässt, ist wohl nicht für einen bestimmt.
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