Der Sprung in die Freiheit
Ich galoppiere auf den Oxer zu. Das nächste was ich sehe ist ein weißes Zimmer. Ein Piepsen. Zwei Ärzte, die mich mit einem erleichterten Gesichtsausdruck ansehen.
Das war vor etwa genau einem Jahr, jetzt bin ich wieder soweit und habe mich dazu aufgerafft wieder zu springen. Nachdem mir meine Trainerin Mut zugesprochen hat und auch meine Mutter meinte, ich solle es wenigstens wieder versuchen, weil es meine große Leidenschaft war.
Toledo. Das Pferd das mich durch alles durchgebracht hat. Es hat mir durch die Therapie geholfen und genau auf ihm sitze ich jetzt.
„Zuerst über die Trabstange“, sagt meine Trainerin. Ich schaue sie geschockt an und sie merkt sofort, dass ich Angst habe. „Im Schritt, wenn du dich so sicherer fühlst“, sagt sie mit ruhiger Stimme. Dankbar schaue ich zuerst sie und dann meine Mutter, an welche mir aufmunternd zulächelt.
Nachdem ich das geschafft habe, muss ich ehrlich sagen, bin ich ein wenig stolz auf mich und versuche es sofort auch im Trab.
„In der nächsten Ecke galoppierst du an und dann drei Runden im Arbeitsgalopp mit Stellung“, befiehlt mir meine Trainerin. Also galoppiere ich mit einem Lächeln auf meinem Gesicht, aber auch gleichzeitig mit einem mulmigen Gefühl an.
In der Zwischenzeit sind ein paar Freunde von mir gekommen die mich aufmunternd anlächeln. Ich sehe meine Mutter mit einem fragendem Blick an doch diese kann nicht antworten weil sie von meiner Trainerin unterbrochen wird.
„So, Lea, wenn du dich bereit fühlst dann kannst du im Galopp einmal über die Bodenstange“, ruft mir meine Trainerin zu.
Ich nicke ihr zu und sage zu meinem Pferd: „Komm mein Schatz, wir schaffen das.“ Ich klopfe ihm einmal auf den Hals, um es zu loben und schon sehe ich die Trabstange vor mir. Ich schließe die Augen und lasse mich von Toledo darüber „tragen“.
Auf einmal höre ich, wie mich meine Trainerin lobt und ich pariere durch zum Schritt. „Hättest du keine Ohren, würdest du gerade im Kreis lachen“, höre ich meine Mutter grinsend sagen. Ich lobe Toledo und bin wirklich stolz auf mich.
Selbstbewusst sage ich: „Jetzt über einen Oxer.“ „Bist du dir sicher, dass du das jetzt sofort machen willst?“, fragt meine Mutter. Doch ich schaue nur erwartungsvoll meine Trainerin an, welche mir zunickt und um Hilfe bittet, um den Oxer aufzubauen.
Nach kurzer Zeit steht das Hindernis auch schon und ich galoppiere, selbstbewusst und von mir selbst überzeugt, an. Im Augenwinkel sehe ich, wie meine Mutter ihr Handy zückt, um mich zu filmen, doch darauf kann ich mich nicht lange konzentrieren, denn das Hindernis kommt immer näher und näher. Toledo springt ab und ich gehe in den leichten Sitz. Erst nach ungefähr zehn Sekunden realisiere ich, dass wir, also Toledo und ich, es geschafft haben und beginne zu jubeln. „Das war er“, denke ich mir. „Das war der Sprung in meine Freiheit!“ schreie ich.
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