Der Tag der Veränderung
Fröstelnd zog er seine Jacke ein bisschen enger und blickte sich verängstigt um. So, als wüsste er, dass sie ihm folgten. Er beschleunigte seine Schritte, doch es war schon zu spät. Sie hatten ihn umzingelt.
„Hey Spasti! Wie viel Geld hat dir deine Mami denn heute mitgegeben?“, fragte auch schon der Erste und nacheinander traten sie aus dem Schatten. Er sah sich um, aber sie hatten ihm jeden möglichen Fluchtweg versperrt.
„Na los, rück schon raus mit der Kohle oder müssen wir dir erst wieder Respekt einprügeln?“, bei dem letzten Wort zuckte er zusammen. Hastig begann er seine Tasche zu durchwühlen, jedoch fand er keinen einzigen Cent. Verzweifelt hob er den Kopf, und da bemerkte er auch schon das bösartige Grinsen in den Gesichtern der anderen. Sie kamen immer näher, und dann begannen sie ihn herumzuschubsen. Es wurde immer schlimmer. Zuerst spuckten sie ihn an, dann begannen sie ihn zu schlagen und auf ihn einzutreten, bis er blutend am Boden lag.
Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf meine Atmung. Ein… aus, ein… aus. Ich versuchte mein Gewissen zu beruhigen, indem ich mir einredete, dass es okay war. „Gestern du, heute er. Das ist nur gerecht“, wiederholte ich immer wieder in meinen Gedanken. Aber dann hörte ich einen Schrei und irgendetwas in mir veränderte sich. Ich hatte es so satt, dass sie ständig irgendjemanden tyrannisierten.
Ab heute werde ich das nicht mehr zulassen.
Ab heute werde ich dafür sorgen, dass sie niemanden mehr Leid zufügen.
Ich zählte bis drei, dann sprang ich hinter den Müllcontainern, hinter denen ich mich zuvor hastig versteckt hatte, hervor und begann zu schreien: „Aus! Es reicht! Lasst ihn sofort in Ruhe!“ Und zu meiner Verwunderung hörten sie wirklich auf. Für eine kurze Zeit war es ruhig, nur sein Schluchzen durchbrach die Stille. Dann drehten sich die anderen langsam um und ich konnte in ihren Augen sehen, dass ich gerade wahrscheinlich den größten Fehler meines Lebens gemacht hatte. Ich schluckte und wich ein paar Schritte zurück. In meinem Herzen wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte. Und dafür würde ich jetzt wohl bezahlen müssen.
Als ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen, hörte man plötzlich eine Sirene und im nächsten Moment bog ein Streifenwagen in die Gasse. Anscheinend hatte ein Anrainer etwas mitbekommen und sie angerufen. Die Polizisten erfassten die Lage recht schnell, riefen einen Notarzt für den einen und begannen dann damit, die anderen zu befragen. Schließlich kam auch einer zu mir und ich versuchte das ganze Geschehen schildern. Ich brachte kaum ein Wort zustande, da ich es nicht glauben konnte.
Ab heute hatte das Elend wirklich ein Ende.
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