Der Teufelskreis
24. April 2068
12: 32
Gesicht waschen gehen. Social Media checken, alle Bilder der „Freunde“ liken. Anschließend eine Stunde irgendwelche Beiträge anschauen.
Da sich der Magen bemerkbar macht, begibt man sich, wenn auch nur widersterbend, in die Küche. Von der Mutter wird man gefragt wann man letzte Nacht ins Bett gegangen ist.
Puh war es um 1 Uhr oder 2 Uhr?
Frühstück und Mittagessen auf einmal.
Kein Wunder, warum ich zunehme.
Auf das Sofa setzen und was halbwegs Sinnvolles finden, mit der man sich die Zeit vertreiben kann.
Das kann so nicht weitergehen. Du musst was ändern.
Schnell zum Handy greifen, um diese viel zu erdrückenden Gedanken zu verscheuchen. 1 Stunde YouTube Videos anschauen und alles andere vergessen. Plötzlich schreit Vater, dass man nicht den ganzen Tag faul sein kann, deshalb schickt er mich die Einkäufe für die Woche erledigen.
Suuuper, genau das habe ich gebraucht, lass es schnell hinter mich bringen.
Steige in den Aufzug, betrachte mich im Spiegel und wenn man genau hinschaut, kann man erkennen, wie auf meinem Gesicht eine Maske entsteht. Eine Maske, die mich vor allen Menschen da draußen abschirmen soll, und da Gefühle zeigen in unserer Gesellschaft als Schwäche angesehen wird, zeigt die Maske kein Gefühl sondern schaut einfach versteinert.
Ich steige auf die Straße, hebe den Kopf und schaue in andere Masken. Jedenfalls glaube ich, dass auch andere Menschen mit Masken herumlaufen. Ich kann doch nicht die einzige sein. Gehe die Straße entlang, den Blick nach unten gerichtet nach dem Motto: Bloß keinen Augenkontakt und immer mit der Frage im Hinterkopf was andere, mir wildfremde Menschen, über mich denken.
Dumm, nicht wahr?
Beim Supermarkt angekommen geht man natürlich zur Obst und Gemüseabteilung, aber „erstaunlicherweise“ muss man zuerst durch die Süßigkeitenabteilung.
Man versucht uns ja von allen Seiten zu manipulieren.
Die Früchte gibt man natürlich in diese recycelbaren Säcke.
Irgendwas muss man ja für die Umwelt tun.
Zuhause angekommen geht man in sein Zimmer, das natürlich aufgeräumt werden muss, und man hat ja das Ziel es zu machen, aber dennoch sucht man eine Ablenkung davon. Am liebsten würde man sagen: „Alexa, gib die Realität auf hold.“ Aber das kann man nicht und daher versucht man sich abzulenken.
Aber die Realität holt einen ein. Also startet man mit der Arbeit und man bemerkt, dass alles prima läuft, beginnt Hoffnung aufzukeimen. Aber sobald man mit der Arbeit fertig ist und wieder ans Handy geht sind alle früheren Gedanken vergessen.
So verbringt man wieder die Zeit damit, sich mit dem Handy abzulenken eine Stunde, noch eine Stunde. Wenn man auf die Uhr schaut zeigt der Zeiger 2 Uhr.
Mist.
Man geht schlafen.
12: 28
Alles fängt wieder von vorne an
Wenn wir nicht bald aus dieser allgemeinen Gesellschaftlichen Depression und Lebensweise herauskommen, könnte so ein Tagesablauf im Jahr 2068 gar nicht so unrealistisch und weit her geholt sein. Die Frage ist nur, ob wir etwas in der Art überhaupt aushalten können, und wenn ja, wie lange denn?
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