Der unheimliche Keller
„Emilia, holst du bitte Wasser aus dem Keller?“ Diese Worte aus dem Mund meiner Mutter zu hören, war mein größter Horror, der Keller war dunkel, roch modrig und hatte etwas Angsteinflößendes an sich. Ich hätte gerne gesagt, dass ich nicht runter gehen will, doch meine Mutter konnte wegen ihrer Krankheit nicht aus dem Bett aufstehen, und ich hatte ihr versprochen, sie zu unterstützen. Also ging ich trotz meines unguten Gefühls zu unserem Keller. Die modrige kalte Luft stieg mir beim Öffnen der Kellertüre direkt in die Nase und die unendlich erscheinende Dunkelheit machte meine Situation nicht besser. Der Lichtschalter war seit einigen Monaten kaputt, weshalb ich meine nicht sonderlich starke Taschenlampe verwenden musste. Ich stand minutenlang vor dem Eingang des Kellers, bis ich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte und die Stiegen, so schnell ich konnte, hinunter rannte. Doch dann „wumms“! Ich fiel über etwas Großes. Laut schrie ich auf, mein Herz schlug so stark, dass ich es gegen meine Brust hämmern spürte. Als ich mich einige Sekunden später wieder beruhigt hatte, leuchtete ich mit meiner Taschenlampe den Raum ab, um zu sehen, worüber ich gestolpert war. Es war eine große Kiste, die meine Oma heute zu uns gebracht hatte. Ich wollte nicht länger in diesem von Spinnweben übersäten Raum bleiben, also holte ich das Wasser und wollte wieder gehen. Am Weg zum Stiegenaufgang leuchtete ich zu einem Schrank und sah darunter ein glänzendes Ding. Ohne viel zu überlegen, ging ich auf die Knie und holte es hervor. Es war eine wunderschöne Glaskugel. Als ich versuchte, mit dem Ärmel meines Pullis die Kugel von Staub zu befreien, leuchtete sie in einem hellen Licht auf. Dieses Licht war so faszinierend, dass ich meine Augen nicht davon lassen konnte. Nach ein paar Sekunden verfärbte sich das Licht in der Kugel und es bildeten sich verschwommene Bilder von Kriegen, Tsunamis, Waldbränden, Aussterben von Tierarten und einer Krankheit, die der Spanischen Grippe glich. Ich war so schockiert, dass ich die Kugel fallen ließ, sie brach in tausend kleine Einzelstücke. Angst durchfloss meinen ganzen Körper, und ich lief, so schnell wie mich meine kurzen Beine tragen konnten, zu meiner Mutter und erzählte ihr von dem Gesehenen. Doch sie sagte dazu nur lächelnd: “Schatz, deine Fantasie ist wunderbar, doch das alles wird bestimmt nicht passieren.“ Sie glaubte mir nicht, sie meinte, die Fantasie einer 8-Jährigen wäre nicht ernst zu nehmen.
Dies geschah vor über 60 Jahren, und nun im Jahr 2022 sind all diese schrecklichen Dinge Realität. Ich weiß bis heute nicht, wie diese Kugel funktionieren konnte, doch ich bin mir ganz sicher, dass es kein Zufall war, dass genau ich sie zu sehen bekam, weil ich durch sie zur Politikerin geworden bin und versuche, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
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