Der wahre Freund und Feind
Langsam schlenderst du mir nach. Die ganze Zeit redest du nur und redest und redest. Du gibst mir keine Ruhe. Immer wieder beleidigst du mich, erniedrigest mich, machst mir Angst. Du wiederholst immer wieder, wie hässlich ich bin, wie nervig ich bin, wie viel Drama ich immer um alles mache. Du sagst Dinge zu mir, die mich nachts mehrere Stunden lang wach bleiben lassen, die mich so viele Tränen weinen lassen, dass ich in ihnen fast ertrinke. Immer wieder verfluche ich dich, dass du mich dazu bringst mein Gesicht vor Ekel zu verziehen, wenn ich mich im Spiegel betrachte, wenn ich meinen Körper, meinen Körper, den ich doch so sehr schätzen sollte, ansehe und mich frage, warum er denn so aussehen muss, wie er aussieht. So schrecklich, so widerlich, so alles andere als perfekt mäßig. In der Schule bringst du mich dazu, dass ich mir nichts mehr zutraue. Du bringst mich dazu zu lügen, so zu handeln als wäre mein Leben ein Schauspiel, bei dem ich eine glückliche Rolle spielen muss, obwohl ich innerlich jeden Tag etwas mehr Lebenswillen verliere. Du erinnerst mich regelmäßig daran, dass ich nicht gebraucht werde auf dieser Welt, dass sie ohne mir doch genau so weiter funktionieren würde wie auch mit mir. Du lässt mich sogar denken, dass sie ohne mir sogar besser wäre. Meine Familie wäre dann glücklicher, sagst du. Meine Freunde würden vielleicht ein paar Wochen so etwas wie Trauer empfinden, aber irgendwann würde ich auch für sie in Vergessenheit geraten, sagst du. Wer bist du schon? Ein eingebildetes, verwöhntes Kind, dass es zu gut im Leben hat, so gut, dass es vor Langeweile anfängt sich zu ritzen, sich selber zu verletzen. Nur damit es Aufmerksamkeit bekommt. Mehr als das Geld der Eltern zu vergeuden kann ich sowieso nicht, sagst du. Du bist der Grund für all meine Ängste, meine Zweifel, meine Gedanken. Du kontrollierst mich mittlerweile, du bist die Marionettenspielerin und ich dein Spielzeug. Wegen dir habe ich das Gefühl in einem Gefängnis zu leben, eingesperrt zu sein und nicht ausbrechen zu können. Aufgrund deiner Worte verzeihe ich Menschen alles, ich bin zu leichtgläubig und naiv. Ja, ja das sagst du auch immer und immer wieder. Auch jetzt, du bist die ganze Zeit bei mir. Warum gehst du denn nicht einfach, warum lässt du mich denn nicht einfach in Ruhe und machst jemanden anderem das Leben zu Hölle. Immer und immer wieder bitte ich dich zu gehen, aber du, du hörst mir doch gar nicht zu. Und mir wird daraufhin immer wieder bewusst, dass du eigentlich meine einzige Bezugsperson bist. Die anderen werden dich doch eh irgendwann verlassen, wer will denn bitte auch länger als nötig mit dir befreundet bleiben. Du bist eine gute Notlösung, sagst du schon wieder, zum ungefähr tausendsten Mal an diesem Tag. Das Schlimmste ist, dass ich dir auch noch glaube. Immer wenn ich das Gefühl habe vor Einsamkeit zu sterben und unsichtbar zu werden, bist du tatsächlich, leider, die einzige Person, die da ist, die immer da sein wird. Du solltest mir doch beibringen
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