Der Weihnachtswunsch eines Kindes
Schwer legte sich der Staubschleier auf die Ruinen der Stadt. Kaum ein Gebäude lag nicht in Trümmern. Die tanzenden Flocken der brennenden Überreste bewegten sich sanft im Wind, verfingen sich in seinen Haaren. Sie erinnerten an Schneeflocken, doch in diesem Jahr gab es keinen Schnee. Dieses Jahr gab es auch kein Weihnachtsfest. Dieses Jahr würde er nicht zur Mutter heimkommen, um mit ihr am Feuer zu sitzen und über das vergangene Jahr nachzudenken. Dieses Jahr würde er seine Geschwister nicht sehen. Und er würde auch nicht mit seiner kleinen Tochter den Weihnachtsbaum schmücken. Dieses Jahr war anders. Der Krieg hatte die Länder geprägt. Viel war zerstört worden und als er seinen Blick über das kleine Dorf gleiten ließ, wurden ihm die Zerstörungskraft und die Tragweite einmal mehr bewusst. Hier hatten einmal unschuldige Familien gewohnt. Doch die Truppen zogen eine Spur des Todes durch das Land. Kaum einer hatte in dieser Einöde überlebt. Da spürte er auf einmal ein leichtes Zupfen am Zipfel seines Ärmels. Fast schon sanft war es und als er an sich herabsah, stand ein Mädchen vor ihm. Sie war dürr und ihre Kleidung war zerschlissen. Schüchtern blickten ihm ihre braunen Augen entgegen und sie presste eine kleine, recht mitgenommene Stoffpuppe an ihre Brust. „Bist du ein Soldat?“ Ihre Stimme klang dünn, war nur ganz leise und er konnte nur stumm nicken. „Ich habe einen Weihnachtswunsch.“ Der Ausdruck in ihren Augen war voller Hoffnung als sie weitersprach. „Bitte, Herr Soldat. Ich wünsche mir, dass meine Mama wieder kommt. Und ich wünsche mir, dass die Soldaten aufhören. Sie sollen gehen.“ Als er sich zu ihr hinunter beugte, glitzerte kaum sichtbar eine Träne in seinem Augenwinkel und Hilflosigkeit überkam ihn. So flehend sah sie ihn an, als ihre kleine Stimme erneut an sein Ohr drang. „Bitte, Herr Soldat. Geht.“
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX