Die Bestattung
Die Tür zum Friedhof knarrte in der totenstillen Nacht. Ein Schatten schlüpfte vorbei und verschwand der menschenleeren Straße entlang. Es war keine verirrte Katze. Auch kein Mensch. Nur eine schmächtige Gestalt, die durchs geöffnete Fenster hineinstieg.
Die folgende Nacht ließ sich ein grabendes Geräusch wahrnehmen, als ob jemand eindringlich eine Schaufel in den erfroreren Boden rammte. Ihr Umhang wisperte leise, danach trat sie wieder aus der Tür hinaus. Ein kleines Springen war in ihren Schritten zu merken.
Die Augen nach vorne, den Kopf niedrig halten. Wie hat es bloß angefangen, fragt sie sich. Sie kann sich daran gerade nicht erinnern. Aber es macht auch keinen Unterschied mehr. Wichtig ist, wie es zu Ende gehen würde. Sie stellt sich den Schlussstrich vor wie die dunkelblaue Umarmung der Gedenksteinen, die neben dem Pfad hochragen. Dicht nebeneinander, riesige Schatten vor sich hin werfend, der kühle nächtliche Wind dazwischen wehend. Irgendwie gemütlich und trotzdem ein unbehagliches Gefühl erregend, genau wie ein Zufluchtsort.
Die Pforte zum Friedhof knirschte geräuschvoll vor sich hin. Sie schob sie langsam einen spaltbreit auf und wurde vom Dunkeln verschluckt. Sie sollte es ahnen, das etwas schiefgehen würde, als der erster Ast ihr ins Gesicht heftig prallte, während sie die Strecke zu ihrem Lieblingsplatz legte. Der zweite versuchte sie zu stolpern. Doch die Eiben waren weit von der Allee entfernt. Ein Fuß vor dem anderen, sie ist nur allzu aufgeregt. Ja, das sollte es sein. Die Bäume standen immer da, aber früher hat sie rücksichtsvoll umgegangen.
Sie stieg langsam hinunter und streckte die Hand, um die Schaufel zu packen. Die Erde fiel hinab. Ihr Atem beschleunigte sich deutlich, nachdem sie kein knappes Licht erblicken konnte und jede Bewegung ihr nur mühsam gelang. Sie legte sich heimelig hin und wartete.
Die zum Atmen hinterlassene Lücke beunruhigte sie. Auch die Betäubung machte sich im Leib breit. Die Stille der Nacht schmerzte ihre Ohren, wobei ihr auffiel, wie viel Lärm sie allein angerichtet haben sollte. Jetzt blieb es nur zu warten. Der Boden knarrte heftig wie unter Füßen, aber kein Geräusch entfloh ihre Lippen. Etwa Boden geriet ihr auf die Nase und sie verschluckte gewaltig. Die Hoffnung, jemand würde zu ihr kommen wie ein Ritter auf dem weißen Pferd spielte sich wieder und wieder im Hintern des Gehirns. Das Vorstellungsvermögen des Menschen kann richtig wild laufen.
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