Die Farben der Geräusche
Ein großer Tumult ist um mich herum. Ich weiß, dass viele Leute da sind. Ich höre das Geschnatter der Menschenmenge, und jedes Mal, wenn die Türklinke hinuntergedrückt wird, um noch einen weiteren Menschen hereinzulassen, und ich kurz darauf die Türe ins Schloss fallen höre, entfliehen immer wieder Geräusche aus dem Gang und verirren sich in das Zimmer. Es sind Töne verschiedenster Art:
Ich höre Lautsprecher, die Namen verschiedener Personen ausrufen, Kindergelächter, das man hier nur so selten hören kann, aber wenn es einmal da ist, ist es so hoffnungsvoll und voller Glück, wie an keinem anderen Ort. Auch das Geräusch von Betten, die durch die mit Neonröhren beleuchteten Gänge geschoben werden, und das ständige Auf-und-Wiederzugehen von Lifttüren ist gut zu hören.
Ich habe das Gefühl, dass es mit jeder Minute ruhiger um mich herum wird. Das Geschnatter von vorhin erstirbt langsam und wird durch ein leises, manchmal absterbendes Geflüster ersetzt, denn es gibt nichts mehr Wichtiges unter den Leuten auszutauschen. Die formellen Begrüßungen und die Aufzählungen der Doktortitel, von denen jeder hier im Raum zur Genüge besitzt, sind beendet.
Ich spüre die Anspannung, die im ganzen Zimmer von einer Wand zur anderen zu prallen scheint und die man in der Stille so viel besser wahrnehmen kann. Genauso wie die Aufregung, die jeden neu dazugekommenen Menschen in Millisekunden ansteckt, füllt sie jede einzelne Pore meines Körpers aus - bis auf einen winzigen Punkt. Denn in diesem Punkt hat sich ein anderes Gefühl ausgebreitet. Das Gefühl, das fünf ganze Jahre in mir nicht existiert hat, aber vor ungefähr einem Jahr von einem Menschen, den ich davor nicht einmal gekannt habe, erweckt wurde. Und zwar ist es die Hoffnung. Die Hoffnung endlich wieder…
Plötzlich räuspert sich jemand, es ist die Stimme meines Arztes und sie sagt das, was der Grund dafür ist, dass sich so viele Menschen hier versammelt haben. Doch für mich zählen aber einzig und allein nur die so lang ersehnten und so mühevoll erarbeiteten Worte: „Karla, du kannst die Augenbinde abnehmen!“
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