Die fliegende Bedrohung
Die Luft war erfüllt mit einem Gemisch aus schwarzen Rauchschwalben und dröhnenden Kanonen. Liban spähte zwischen den Küchenvorhängen nach draußen und sah, wie Mütter mit ihren schreienden Kindern in alle Himmelsrichtungen flüchteten. Er sah wie die Kampfflugzeuge, die im Winde wehenden Baumkronen zu streifen drohten. Und er hielt den Atem an, als eine Sprengbombe nicht weit von seinem Haus entfernt einschlug. Die Welt brannte in seinen Augen und niemand war da um sie zu löschen. Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Mit einem Ruck, hatte ihn jemand von hinten gepackt und rücklings zu Boden geworfen. Er spürte wie eine weitere Bombe einschlug und die kurzweilige Stille zerfetzte. Glasscherben rieselten zu Boden, die Küchenmauer war ein gigantisches Loch und sein Kopf brummte vor Schmerzen. Sein ganzer Körper begann hektisch zu zucken, er war zu benommen, als das er seine Umgebung erkennen konnte. Alles verschwamm vor seinen Augen und sein ganzer Körper fühlte sich taub an.
Irgendjemand lag auf seinem Bauch, doch wusste er nicht wer. Denn eigentlich war er alleine in diesem Haus. Seine Familie hatte sich in Sicherheit gebracht, als die ersten Bomben fielen. Es war so dumm von ihm gewesen, zurück zu laufen, nur um das kleine gebundene Fotoalbum zu holen, welches ihm sein verstorbener Vater geschenkt hatte. Aber das war doch die einzige Erinnerung, die Liban geblieben war, er musste sie einfach holen. Weswegen er nun auf dem klammen Steinboden lag und sich nicht bewegen konnte. Plötzlich rührte sich der Körper auf ihm. Die Person lebte noch! Stöhnend und keuchend rollte sich die gigantische Masse zur Seite und blieb liegen. Liban versuchte verzweifelt seinen Hals zu bewegen, da dies misslang, bemühte er sich einen Satz zu formulieren, auch das schaffte er nicht.
„Hey“, sagte die Person neben ihm.
Liban durchfuhr ein Schauer. Er wusste nun, wer neben ihm lag. Und die Erkenntnis traf ihm wie ein Schlag ins Gesicht.
„Liban, ich habe nicht mehr genügend Zeit. Du musst mir jetzt gut zuhören, ja?“, befahl die Person. Liban konnte nicht antworten, sein Mund war wie ausgetrocknet.
„Ich weiß, dass du von dem ewigen davonlaufen genug hast. Die Leiden die du erlitten hast waren groß, zu schwer als das du sie hättest tragen können. Auch das ständige verstecken müsste dir genügen und die Angst entdeckt zu werden.“
Eine kalte Hand umschloss die von Liban.
„Aber irgendwo da draußen, ist eine Welt, ganz ohne all jener Trauer, die du gerade verspürst, ohne den Hass, die Ignoranz und den Betrug. Eine Welt die es zu finden gilt.“
Der Griff um Libans Hand lockert sich wieder.
„Und wenn du wirklich von all dem genug hast, dann erinnere dich daran, dass meine Liebe zu dir genügt um weiter zu leben.“
Die tote Hand seiner Mutter glitt aus seiner Hand.
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