Die großen Träume des kleinen Wiens
Papa?
Ja?
Vorm Schlafengehen
Möchte ich noch ein Märchen hören
Welches willst du heute wählen
Soll ich dir von Rapunzel erzählen?
Nein, solche kenne ich auswendig
Die Alten erzählst du ständig
Na gut, mein Kind
Ab ins Bett, aber geschwind
Pass auf und spitz die Ohren
Von unserem Wien wirst du jetzt hören
Alter Kern, neue Hülle
Qualität in gekrönter Fülle
Zeuge kaiserlicher Zeiten
Präsentiert vielfältige Seiten
Doch Europas goldenes Herz
Verspürte neulich tiefen Schmerz
Warum?
Wien grämte sich sehr
Wünschte, es böte mehr
Wäre es doch nicht klein und unmodern
Etwas von den Großstädten hätte es gern
Von Touristen hat es gehört
Dass das Treiben einen betört
In Tokio befördern fahrerlose Züge Massen
Hier muss man sich auf Verspätungen einlassen
In New York die Wolkenkratzer in die Höhe schießen
In Wien nur die Pilze im Altbau sprießen
In Singapur es grünt und blüht
Hier der Graffitisprayer Wände besprüht
Stimmt das wirklich?
So beschloss es, den Wind zu schicken
Diese Städte zu erblicken
Nach drei Monaten kehrte dieser zurück
Und berichtete von seinem Glück
Die Einwohner müde, hektisch und grau
Keinen erfreute des Himmels Blau
Trotz der Moderne waren sie unglücklich
Auch sie konnte das Verlangen nicht wecken
Nicht weiter die Umwelt zu verdrecken
Ihre Technik vermochte sich nicht zu wehren
Gegen den Willen, Ressourcen zu leeren
Da wurde Wien ums Herz leicht
Es spürt, wie sein Neid weicht
Im Fortschritt mag es ihnen erliegen
Doch eins haben die Großen verschwiegen
Ändert man nicht des Menschen Beschaffenheit
Bringt man es mit der modernsten Technologie nicht weit
Der Vater wendet sich dem Kind zu
Auf seinem Gesicht steht friedliche Ruh.
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