Die guten, alten Zeiten
Die braune Kiste stand schon seit Jahren in meiner Wohnung. Ich hatte mich nie dazu überwunden sie zu öffnen, aber heute musste ich es tun. Es war mein Geburtstag und da stand die fest verschlossene Box, mit all den Erinnerungen. Langsam ging ich darauf zu, während sich die Spannung bei jedem Schritt aufbaute. Schließlich nahm ich eine Fernbedienung heraus. Das war noch ein Gegenstand aus vergangenen Zeiten, an die ich versucht hatte nicht zu denken. Sie war auch der Schlüssel zu all den Videotagebüchern meiner Kindheit.
Seufzend drückte ich auf den roten Knopf und schon sprang mir das Lächeln eines kleinen Kindes ins Gesicht. Sie fing an, herumzugehen und zu reden, als ob sie hier wäre, doch vor mir stand nur ein Hologramm.
Das Mädchen erzählte von einem Tag im Jahr 2020, diese Zeit war nun schon 100 Jahre her. Die Welt hatte sich sehr verändert und der Klimawandel war schon seit Jahren kein Problem mehr.
„Liebes Tagebuch,
heute ist mein 10. Geburtstag und ich habe ganz viele Geschenke bekommen. Meine Tante hat mir ein Kuscheltier geschenkt, dann kann ich wieder Tierärztin spielen. Ich hoffe, dass ich das einmal werde.“
Das Mädchen sprang herum um das Geschenk zu suchen und es in die Kamera zu zeigen. Ich sah ihr dabei zu und hatte das Gefühl, ich wäre genau bei ihr.
„Ich bin so gespannt, was in 50 Jahren ist. Ich hoffe, ich bin Tierärztin mit ganz vielen Katzen. Ich liebe Katzen einfach.“
Dabei lächelte ich, während ich die Roboter-Katze auf meinem Schoss streichelte.
„Weißt du, was mir meine Schwester geschenkt hat? Eine Plüsch-Katze.“
Das muss einer der schönsten Tage gewesen sein, dachte ich lächelnd.
„Ich bin so gespannt wie das Schuljahr wird, oder was ich wohl in 5 Jahren machen werde. Bis dann will ich endlich eine Katze. Naja ich muss jetzt aufhören, weil ich jetzt zum Abendessen gehen muss. Bis bald.“
Langsam verschwand das lächelnde Hologramm und ich blickte auf die graue Wand meines schwebenden Apartments.
Durch die laute Sirene in meinem Ohr wusste ich, dass es Zeit war zurück zur Arbeit zu gehen.
Beim Herausgehen schaute ich in den elektronischen Spiegel und vor mir stand das kleine Mädchen aus dem Hologramm. Lächelnd wischte ich die unbekannte, salzige Flüssigkeit von meinem Metallgesicht, bis ich wieder zu meinem emotionslosen Roboter-Dasein zurückging.
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