Die Hoffnung
Ich holte meine Nahrungsportion.
Ich schaute mich um.
Alle gleich, keiner anders, kein Reden, kein Lächeln.
Sowas kennt man bei uns nicht. „Bei uns“, wiederholte ich in Gedanken.
Ich weiß selbst nicht, wie ich hier gelandet bin.
Jeder Tag das Gleiche. Meine Nahrungsportion, dasselbe wie alle.
Vitaminreich. Ein Schöpfer Getreide, ein Stück Rind, ein Apfel, eine Banane.
Männer bekommen mehr als Frauen, Frauen bekommen mehr als Kinder.
Alles ganz logisch.
Keiner sagte etwas, als dem Austeiler ein Fehler unterläuft und ein Junge 2 Stücke Rind bekam. Alle
schauten weg. Ignorieren den Fehler. Wie es jeder tut. Immer. Exakt 20 min, dann das Läuten.
Es ist Zeit.
Gleichzeitig stand jeder auf. Ich war der Einzige, der sich umsah. Der sich immer umsah, der
nachdachte.
Absoluter Kommunismus.
Obwohl, nicht ganz. Die Regierungsmitglieder haben mehr. Das ist logisch, sagen sie uns. Das gehört
sich so. Sie machen die bedeutenden Sachen, ihr nicht. Seid froh, dass ihr im Krieg nicht gestorben
seid.
Nicht denken, nicht schauen, keine Gefühle und das Wichtigste, nichts hinterfragen.
Wenn ich mein Leben seit dem Energiekrieg beschreiben müsste, würde ich sagen: „Grau!“, auch
wenn das keine wirkliche Beschreibung wäre.
Die Unzufriedenheit der Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit sind, ist ihnen förmlich mit rotem
Schriftzug ins Gesicht geschrieben.
Gleiche Kleidung, gleiches Leben, gleicher Mensch.
Keiner ist etwas Besonderes.
Mit jedem Gedanken riskiere ich die Hinrichtung. Ich kann jedoch nicht anders. Alles scheint mir zu
Kopf zu steigen.
Mein Kopf, der immer größer wird, sich rötlich verfärbt und zerplatzt. Rot.
Endlich Farbe. Selbst dann darf keiner denken, sich bewegen, einen Mucks von sich geben. Sonst
kommen die Männer und nehmen alle mit.
Doch meine Hoffnung stirbt nicht, wie die Wiese, über die die Arbeiter jeden Tag gehen, sie geht
nicht zurück und lässt kalte braune Erde zurück. Meine Hoffnung wird mit jede Wimpernschlag
größer, genauso wie der Wunsch für Gerechtigkeit.
Obwohl, eigentlich ist es gerecht. Jeder Mensch bekommt gleich viel, doch es ist nicht richtig.
Es wirkt alles so schief, wenngleich alle so tun, als wäre alles gerade.
Als ich meinen Kopf wieder senkte, sah ich einen Löwenzahn, der sich durch den Beton kämpfte.
Meine Hoffnung ist wie dieser Löwenzahn. Sie ergibt sich nicht, sie kämpft.
Genauso wie es alle tun sollten
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