Die letzten 7 Minuten
Ich habe einmal gehört, dass beim Übergang von Leben zum Tod, die Seele den Körper nicht sofort verlässt, sondern noch sieben Minuten verweilt. Sieben Minuten in denen sich die bedeutsamsten Momente nochmal vor einem abspielen wie ein Film. Seitdem frage ich mich, wann ist ein Augenblick wichtig genug, um diesen sieben Minuten anzugehören?
Als ich klein war und mir im Religionsunterricht die Frage gestellt wurde, wie ich mir das „Leben nach dem Tod“ vorstelle, antwortete ich mit „Ich komme in den Himmel”. Das war ja schließlich auch, wo mein Kater Sammy hinkam, als er starb. Zumindest erklärten mir das meine Eltern so, und meinten, dass es ihm dort besser gehe. Viele finden Trost und Frieden in dieser Vorstellung eines Himmels oder Paradieses, in dem man mit seinen Liebsten wiedervereint ist.
Umso älter ich wurde, desto mehr begann ich mich mit der Realität der Endlichkeit zu beschäftigen, und der Wichtigkeit jeden Augenblick zu schätzen. Ich halte es für eine Zeitverschwendung, sich den Kopf ein Leben lang über etwas zu zerbrechen, das man nicht beeinflussen kann. Nicht die Zeit nach dem Tod, aber die vor dem Tod kann man bestimmen. Was zählt also wirklich, wenn sich alles zum Ende neigt?
Ich denke es sind nicht die großen Ereignisse, die diesen letzten Film prägen, sondern die kleinen, oft übersehbaren Augenblicke des Alltags. Die Umarmung nach einem langersehnten Wiedersehen, die Freude in den Augen der Eltern, oder das erste Mal seinen kleinen Bruder im Arm zu halten. Diese gewöhnlichen Augenblicke tragen eine Bedeutung, die einem erst viel später klar werden.
Wenn ich über meine letzten sieben Minuten nachdenke, stelle ich mir vor, dass genau solche von Glück erfüllten Momente in meinem inneren Film erscheinen werden. Ich stelle es mir vor wie eine Zeitreise, in der man nicht selbst bestimmen kann, wohin die Reise geht. Es ist, als ob man in diese Umarmung zurückkehren würde und alles um einen herum stillstünde. Mir kommt es so vor, als wäre man beim Sterben gar nicht alleine, sondern umgeben von den schönsten Erinnerungen mit den Personen, die einem am meisten bedeuten.
Diese letzten Minuten als Zusammenfassung seines Lebens zu betrachten, gibt mir Frieden, denn es sammeln sich die Augenblicke, die mein Leben so bedeutsam gemacht haben. Es sind nicht die unangenehmen und schlechten Augenblicke, die unser Leben ausmachen, sondern die schönen und gewöhnlichen, die wir oft übersehen oder zu wenig schätzen.
Jeder Tag ist eine neue Möglichkeit Szenen für diesen Film zu sammeln. Keiner weiß was nach diesen Minuten passiert, und das ist vielleicht auch gut so. Denn so wird uns klar, dass es der Weg dorthin ist, der so viel bedeutet, die Erinnerungen und die Menschen, mit denen wir diese Freude geteilt haben. Wenn wir jeden Tag unser Bestes geben, ist es egal was nach den sieben Minuten kommt, weil wir mit uns selbst zufrieden sind.
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