Die Lieblingsbank des Patrioten
Ich sitze auf einer rauen Parkbank.
Mittwochabend im Burggarten, während der Himmel sich langsam in ein wattiges Grau kleidet, womit er wohl den bevorstehenden Regen ankündigen will.
Doch noch ist es friedlich um mich herum, Menschen vertieft in inneren Monolog oder Gespräche, ich selbst sitzend hier, auf dem rauen Holz, den Blick schweifen lassend, an einem gewöhnlichen Mittwochabend.
Im Burggarten. Als der Himmel wattig wurde.
Ein seltsamer Mann kommt den Hauptweg entlangwandert, die linke Hand ein Einrad vor sich herschiebend, die Rechte in die Hosentasche seiner gebügelten Stoffhose gesteckt, die Füße gezielt einen vor den anderen setzend hält er doch tatsächlich auf die Bank zu auf der ich sitze und wahrnehme und ich denke mir schon jetzt „geh bitte wieder“, was ich der introvertierten Seite meines Wesens zuschreibe. Linke Hand auf dem Einrad, Rechte in der Hosentasche bleibt er breit lächelnd vor mir stehen. Ob er sich wohl dazusetzen dürfe, denn das ist seine Lieblingsbank, erkundigt er sich nicht unfreundlich. Ich stimme zu, wie sollte ich auch ablehnen, wo es doch seine Lieblingsbank ist, doch innerlich denke ich
„Geh bitte, muss er ausgerechnet jetzt an Gewohnheiten festhalten?“
Natürlich muss er, natürlich.
Er setzt sich, nimmt seine Schirmmütze ab und sortiert Mütze, Einrad und Bank zu einem Porträt des Absolutismus, laut und zufrieden aufseufzend.
Er blickt mich an, ich blicke ihn an.
Er atmet die frische Septemberluft ein um seine Meinung kundzutun, völlig aus der Luft gegriffen, völlig ungefragt und doch so eindrucksvoll, dass ich nicht wegzuhören vermag. "Ihr jungen Leute, ihr müsst den Fesseln dieser Welt entkommen, ihr müsst die Stäbe des Käfigs aufbiegen noch ehe die Tür verriegelt wird. Rebelliert gegen die Rollen, die ihr in dem Theater dieser Gesellschaft auferlegt bekommen habt, schreibt euren Dialog mit der Welt neu. Und tut es schnell, bevor es zu spät ist, bevor kein Vogel mehr frei herumfliegt.
Und leidenschaftlich weist er auf ein kleines Mädchen, das am Rande einer Absperrung zur Wiese steht und ihre kleinen Händchen um die kalten Metallstäbe geklammert hat während sie euphorisch und trotzig zugleich daran rüttelt.
„Sieh, sie protestiert, sie lässt sich nicht einsperren. Unwissend und ambitioniert. Sie rebelliert gegen die Käfige dieser Welt, und sie darf nicht warten. Junge Vögel sind am leichtesten zu fangen. Ihr müsst es ihr gleichtun.
Und dann gehe ich, denn alles ist gesagt und keine Worte bleiben mehr, dahin und der Patriot bleibt zurück auf seiner Lieblingsbank und starrt in den wattigen Himmel über dem Burggarten und seine Knöchel treten weiß hervor, so sehr klammert er sich an die Latten der Bank, als wäre sie sein einziger Halt im Grau der Welt.
„Ich weiß, ich werde euch eines Tages aus den Käfigen dieser Welt befreien müssen“, meint er ernst zum Abschied, und als ich mich endgültig umwende und das nächste Mal gen Himmel schaue ist das Grau angekommen, er öffnet seine Schleusen und der Regen prasselt auf mich nieder.
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