Die Momentkonserve
Da liegt sie,
Diese silberne Büchse, deren Reflexion in meinem Auge funkelt,
Diese Büchse, nach deren Inhalt ich mich sehne,
Ich will die Lasche zurückreißen und das nostalgische Aroma des Vergangenen freilassen,
Diesen beißend-süßen Geruch dessen, was einmal war,
Ich will dieses unbeschreibliche Gefühl zurück,
Damals, als ich sie das letzte Mal sah,
Denn in der Konserve liegt dicht gepackt ,
Die Makrele eines malerischen Moments,
Der Hering meines vergangenen Herzschmerzes,
Die Sardine einer sentimentalen Sekunde,
Deren Geschmack noch auf meiner Zunge verweilt,
Aber ich kann nicht,
Ich wage es nicht sie zu öffnen,
Ich fürchte das knarrende Blech der sich öffnenden Dose,
Vielleicht ist meine eingelegte Erinnerung von ihr inzwischen verfault,
Und die süße Sentimentalität ist in rückblickende Reue übergegangen,
Der aromatische Augenblick war womöglich doch nur ein miserabler Moment,
Genau darin liegt das Problem,
Ich sammle jede Sekunde allerlei Konserven,
Und lagere sie in den Regalen meiner Vergangenheit,
Luftdicht verpackte Sekunden,
Und mit der Zeit verblassen die Etikette und mit ihnen das Ablaufdatum,
Langsam vergesse ich diese Ansicht, die sich in mein Herz eingraviert hat,
Den Abschied, ihren letzten Blick, ihr schmunzelnder Mundwinkel, den ich mit Mühe versuche zu konservieren,
Dieser Bruchteil der Sekunde, als sie die letzten Worte in mein Ohr flüsterte,
Und der genüssliche Geschmack ihrer Nähe verblasst,
Aber ich traue mich nicht ein letztes Mal zu kosten,
Ich wage es nicht erneut zu degustieren,
Denn wenn die Blechdose geöffnet wird,
Kann ich den Geruch nicht wieder einfangen,
Dann schwindet die lang konservierte Essenz,
Und wird durch eine neue Dose ersetzt,
Darum starre ich weiter auf den Aluminium-Abziehdeckel,
Und lasse meine hungrigen Finger vom Blech.
Wenn ich sie nur in eine Konserve hätte packen können,
Und nicht nur die Erinnerung,
Nicht nur den Augenblick,
Ihren Augenblick…
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