Die, nicht das, Mädchen
Ich las Goethes Gedicht
Da entging mir nicht – das Wort Mädchen ist Neutrum
Geh bitte, warum?
Ihr sagt: „Sei mutig, sei verwegen, sei Du!“
Mädchen werden ihrer Würde beraubt
Wer mit diesen Worten das zu überbrücken glaubt,
Der heilt eine Verbrennung dritten Grades mit einem Pflaster
Österreich pflegt seit Jahrhunderten dieses Laster
Als minderwertig betrachtet man das „Weib“
Geformt sei es nämlich nur aus Adams Leib
Wir sind die Nachfahrinnen derer, die sie Hexen nannten,
Die, die Prediger auf Scheiterhaufen verbrannten,
Dort, wo jetzt die zwei Türme des Stephansdoms stehen,
Und trotzdem versucht man den Lauf der Geschichte zu verhehlen
Man blickt zurück zur Gegenwart
Die Familie verteilt Ratschläge
Buben bekommen den Rat
Den Mädchen bleiben Schläge
Manche finden heraus, wer sie selbst sein wollen,
Und manchen wird suggeriert, wer sie sein sollen
Eltern drücken Buben Waffen zum Jagen in die Hand
Möchten das Feuer der Maskulinität schüren
Lassen ihnen freien Lauf
Buben verschließt man sowieso keine Türen
Gemeinsam mit Freunden rennen sie durch das Land
Während man ihren Bruder nach Abenteuern aussendet
Werden ihre Eltern ihr förmlich ein Gewehr an den Kopf halten
Sie möchten, dass das Jahr mit sehr guten Noten endet
Lassen keine Gnade walten
All die guten Zeugnisse lohnen sich nicht
Männer werden trotzdem das höhere Gehalt erhalten
Passt dir das nicht, so löse dies vor Gericht
Das österreichische Schulsystem entspricht nicht seiner Zeit
Anstatt Koedukation im Sportunterricht werden Buben und Mädchen geteilt
Wir lernen nicht gemeinsam unsere ambitiösen Ziele zu erringen
Deshalb besetzen Frauen selten wichtige Stellen
An dieser Stelle angelangt
Werden einige Leser über den Text höhnen
Werden „Geh bitte. So drastisch ist es nicht“ stöhnen
Deswegen liegt die Replik vor, was euren Zweifel belangt
Die Gesellschaft kümmert sich um das Aussehen
Dabei vergisst sie auf das wirkliche Geschehen
Man braucht nur im Standard über Femizide nachzuschlagen
Ich als Mädchen erfahre davon mit sehr großem Unbehagen
Wenn die Politiker durch ihre Gelassenheit Öl ins Feuer gießen
Weil sie vor den Straftaten einiger Männer die Augen verschließen
Alles andere, nur nicht soziale Normen beschuldigen
Kulturen, die pathologische Verhältnisse gegenüber Frauen huldigen
Die Gesellschaft scheint das zu akzeptieren
Bemüht sich, das unter den Teppich zu kehren
Bemüht sich, die Frau zu beschuldigen oder belehren
Dann wird man uns als B*tch oder Schl*mpe schelten
Gibt es Affronts, die nur Männern gelten?
Wir sind kein Liebesgegenstand
Wir sind Menschen mit eigenem Verstand
Nachfahrinnen derer, die sich das Wahlrecht selbst erstreiten
Wir verdienen, das Land zu leiten
Weil eine Frau allein den Umbruch nicht schaffen kann
Denn den Status Quo ändern wird nicht der Mann
Sollten wir, wie die Männer einer Mannschaft, zusammenhalten
Uns verbünden
Und eine Frauenschaft gründen
Frauen sollen sich nicht gegenseitig hetzen
Sondern einander wertschätzen
Wir müssen aufhören, der anderen Niederlage anzustreben
Und anfangen, gemeinsam die Decke zu heben
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