Die Pecunia-Pyramiden
Die Ägypter brauchten 20 Jahre und 100 000 Menschen, um eine Pyramide zu bauen. Die Steine wurden von der untersten Schicht bis zur oberen fein säuberlich aufeinandergelegt, bis der letzte die Spitze bildete. Heute sind es keine 100 000 Menschen mehr, die die Pyramide bauen, es ist ein einziger auf den Schultern der einhunderttausenden. Und der Stein an der Spitze ist auch nicht der letzte. Es ist der erste. Und dieser glänzende Stein, der den Kopf in den Himmel reckt, der die Blicke der Touristen fängt und der das weltliche Sinnbild der Perfektion bildet, wird getragen von hunderttausenden anderen, welche ohne Anerkennung und ohne die Sonne jemals zu Gesicht zu bekommen, langsam, aber sicher zerbröseln unter der Last der Oberen, da sie es nicht wert sind zu pflegen, ihnen ohnehin keiner jemals Beachtung schenken wird. Diese unteren Steine sind es, die die Pyramide stehend halten, nicht, weil sie es gerne tun, weil sie zu faul sind, nach oben zu klettern, sondern, weil sie außerhalb dieser Konstruktion in jämmerliche Brösel im Sand zerfallen würden, eher würden sie ersetzt durch neue Steine aus dem riesigen Sortiment, bevor ihnen ein höherer Platz zugestanden würde.
Im Inneren waltet keine Grabeskunst mehr, keine Pharaonen werden zur letzten Ruhestätte getragen, keine einem Labyrinth ähnelten Gänge. Im Inneren waltet Druck und Kampf auf Kosten der untersten Steine. Gang gibt es nur einen, den nach oben, nur geöffnet für die, die ohnehin schon an der Spitze sind. Und das gold schimmernde Meer aus Sonnenstrahlen fließt nicht mehr von der Spitze in die unendlichen Weiten der Wüste hinein, sondern die goldenen Scheine bis zu den obersten Etagen hinauf, während die unteren im Sand austrocknen.
Die Spitze der Pyramide, sie trägt nicht den unendlichen Himmel voller Schönheit und Mysterien, sie trägt die Welt, das System, auf das diese Welt erbaut ist und die weiteren steinigen Pyramiden und die, die noch erbaut werden und das Gold, auf dem die wenigen sitzen, während die vielen im Staub der Bedeutungslosigkeit und Armut im Sand versinken. Das einzige, was gleich geblieben ist, sind die Pharaonen, die Herrscher, die Reichen und Mächtigen, welche die Pyramiden in Auftrag geben, um sich ausruhen zu können, die einen in, die anderen nach dem Leben, im Glanz der Sklaverei und der Armut, im Glanz derer, die sterben, die ersticken und erschlagen werden für die strahlenden Pyramiden, die unsere Welt halten und doch jeden fallen lassen, der die unteren Etagen hält. Und die tausenden Pyramiden, auf welche es Reichtum regnet, sie ragen in die Sonne der Welt, in welcher das Leben verglüht, und das System erstrahlt, das kein Ende hat.
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