Die Pflicht des Schreibers
"Geh, bitte! Jetzt hat sie uns schon wieder so einen blöden Auftrag gegeben. ", meint der Junge zynisch.
"Warum sollte ich meine Zeit mit so etwas wertlosem wie der Literatur verschwenden? Um den heißen Brei herumplaudern und am Ende doch nichts sagen, wozu ist das schon gut? ".
Verärgert setzt er sich an seinen Arbeitstisch, um sich dem scheinbar sinnlosen Unterfangen zu widmen.
"Irgend ein Schmarren wird mir doch wohl einfallen", denkt er, "Hauptsache die Zeilen werden gefüllt und ich kann bei Zeiten ins Bett". Dem war jedoch nicht so. Schritt für Schritt fällt er in einen nahezu katatonischen Zustand, paralysiert von seiner Ideenlosigkeit. Keiner seiner Gedanken scheint gut genug zu sein. Aus seinem Zynismus wird allmählich Verzweiflung. "Warum schreibe ich nicht einfach irgendwas? Es ist doch eh egal…
. . Oder ist es das? "
Nein, das ist es nicht. Denn wenn der Inhalt seiner Zeilen gleichgültig wäre, würde er nicht seit Stunden wie besessen vor einem leeren Blatt Papier sitzen.
"Vielleicht ist es die Aufgabe, nein, die moralische Verpflichtung des Schreibers, sich selbst und seine Stimme ernst zu nehmen. Vielleicht ist das der Grund, warum es mir mein Gewissen nicht zulässt, bedeutungslose Worte auf mein Blatt zu kritzeln. Damit würde ich nur mich selbst hintergehen, aus reiner Faulheit. Kein Wunder, dass ich mich seit geraumer Zeit damit quäle. "
Aus seiner Verzweiflung wurde Hingabe.
"Um meiner Verpflichtung gerecht zu werden muss ich den besten Text schreiben, den ich mir vorstellen kann. Ich muss meine Stimme als Schreiber mit der Wahrheit vereinen und ein wahrlich bedeutendes Werk produzieren, erst dann werde ich ruhen können! " Nach größter Mühe ist die Aufgabe endlich erledigt. Sie ist ihm gut gelungen, das weiß er.
Zufrieden legt er sich ins Bett, über seine anfängliche Ignoranz schmunzelnd.
"Geh, bitte", murmelt er, "Geh, bitte".
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