Die Prinzessin die es nie geben wird
Es war ein regnerischer Nachmittag, als sie wie üblich nachhause kam. Sie legte ihre Tasche auf den Sessel neben der Eingangstür und seufzte während sie die Tür zusperrte. Sie war erschöpft, sie arbeitete viel zu viel für viel zu wenig Geld.
Doch dann hörte sie das Einzige, wofür es sich weiterzumachen lohnte – die Stimme ihrer Tochter. „Mama! Mama! Schau dir meine Zeichnung an!“, Stolz hielt das Mädchen das zerknitterte Bild mit leuchtenden Augen in die Höhe. Sie konnte ein Blondes Mädchen mit einem pinken Kleid und einer Krone erkennen; eine Prinzessin. Sie lächelte und strich über Claras Haare. „Die ist ja schön geworden, hast du das ganz allein gezeichnet?“ „Nein, Ida hat mir bei den Haaren geholfen.“
Kurz darauf kam Ida aus dem Kinderzimmer heraus. Sie lebte direkt über ihnen und holte Clara jeden Tag von der Schule ab und passte dann auf sie auf. Sie drückte Ida ein paar Geldscheine in die Hand, wünschte ihr einen schönen Abend und sah zu, wie sie hinter der Türe verschwand.
Dann füllte sie einen Topf mit Wasser an und stellte ihn auf den Herd. „Clara, holst du mir bitte das Salz?“, fragte sie. Das Mädchen stellte sich auf ihre Zehenspitzen, um an den Behälter zu kommen und brachten ihn ihrer Mutter. „Hier Mama!“ „Danke, Schatz.“ Sie kochten oft zusammen, es war ihre eigene kleine Tradition.
Nach ungefähr einer halben Stunde, als das Essen endlich fertig war, klingelte es. „Papa!“ Clara hüpfte auf und lief zur Tür. Einige Sekunden später sperrte er die Türe auf und begrüßte Clara lachend. Jetzt war ihre kleine Familie vollständig!
Als sie fertig gegessen hatten, setzten sie sich gemeinsam aufs Sofa. Er links, Clara in der Mitte und sie rechts. Der Regen prasselte noch immer auf die Fensterscheiben und der Raum wirkte jetzt besonders warm. „Schau mal Papa, das habe ich gemalt!“, er nahm die Zeichnung in die Hand und betrachtete sie kurz. Doch noch bevor er etwas dazu sagen konnte, fragte Clara: „Wenn ich groß bin, kann ich dann eine Prinzessin sein?“
Die Eltern tauschten einen flüchtigen Blick aus, er dauerte nicht einmal eine Sekunde. Doch in diesem einem Augenblick beschlossen sie gemeinsam, dass es noch nicht so weit war. Sie wollten ihr kleines Mädchen noch beschützen. Sie wollten sie vor der grausamen Welt hüten, sie wollten sie davor bewahren, dass es keinen Zukunftszauber gab, sie wollte das Leuchten in ihren Augen noch nicht erlischen lassen. Es war zu früh dafür, sie konnten es noch ein wenig hinauszögern. „Ja natürlich kannst du das!“ Sie gaben ihr einen Kuss auf die Stirn und nahmen sie in ihre beschützenden Arme.
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