Die Rettung
Tagein, tagaus derselbe Trott. Jeden Tag in die Arbeit gehen, dort von einem Meeting zum nächsten hetzen und meinem egoistischen Chef alles recht machen. Immer funktionieren, sich zu Hause für den nächsten Tag vorbereiten und eine neue Geschäftsidee ausarbeiten. Das ist seit siebzehn Jahren mein einziger Lebensinhalt. Mit dem Tod meiner Frau vor zwei Jahren habe ich auch meinen letzten Anker und Ruhepol verloren. Nun ist sie nicht mehr da, und ich überbrücke die öde Arbeitszeit mit Gedanken an früher.
Doch heute ist alles anders. Wie immer gehe ich auf dem Weg zu meinem kleinen Büro an dem kahlen Zimmer meines Chefs vorbei und rufe ein mürrisches „Morgen“ durch die geöffnete Glastür. Normalerweise kommt kein Gruß zurück, doch heute höre ich meinen Chef nervös hinterherrufen: „Herr Peters, können Sie mir bitte kurz die Ehre erweisen?“
Fünf Minuten später verlasse ich mit offenem Mund sein Büro. Erst als ich mich auf meinen unbequemen Klappsessel niedergelassen habe, realisiere ich, was gerade passiert ist. Ich habe eine Abmahnung wegen fehlenden Engagements und falsch getroffener Entscheidungen erhalten. Für heute darf ich heimgehen, um diese Nachricht zu verarbeiten. Ich kann es nicht fassen. Siebzehn Jahre geschätzter Mitarbeiter, und jetzt das. Bestürzt fahre ich nach Hause. Auf dem Weg entscheide ich mich, den Stau auf der Autobahn zu umgehen und nach langer Zeit wieder einmal durch die kleinen ländlichen Dörfer zu fahren, die ich so gerne mag. Heute habe ich ja Zeit.
Als ich den ersten Ort erreiche, öffne ich erleichtert ein Fenster und inhaliere förmlich den Duft von frisch gemähtem Gras und Wiesenblumen. Der Geruch weckt die Erinnerung an meine Kindheit auf dem Hof meiner Eltern. Am Ende des Dorfes fällt mir ein Schild mit der Aufschrift „Zu verkaufen“ auf. Ich bemerke, dass das Schild zu einem großen heimeligen Bauernhof gehört. Irgendetwas zieht mich zu dem Haus, und als ich eine Frau im Garten entdecke, steige ich aus und spreche sie an. „Wenn Sie das Bauernhaus kaufen wollen, müssen Sie sich noch heute entscheiden!“, erklärt sie mir bestimmt, und ich weiß, dass ich eine wichtige Entscheidung treffen muss.
Eine halbe Stunde später sitze ich vor dem fertigen Kaufvertrag. Beim Unterschreiben zittern mir die Knie, aber tief im Innersten fühle ich mich sicher und befreit. Seit Langem habe ich keine Entscheidung mehr so Hals über Kopf gefällt, doch ich spüre, dass ich genau das Richtige gemacht habe. In Gedanken sehe ich schon meine Tiere vor mir und freue mich auf meine neue Aufgabe.
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