Die richtige Entscheidung
Zu abrupt. Zu schnell.
Die Farben verschwammen vor meinen Augen, die Luft zischte an mir vorbei.
Es war keine gute Idee gewesen, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
Meine Füße hatten den Boden verlassen und mein Verstand rebellierte bereits gegen die hirnlose Entscheidung, den anderen zu folgen und zu springen.
So viel zu dem Mut, den ich nicht hatte.
Ich war mir im Klaren gewesen, dass es mein Leben ändern würde, wenn ich mitmachte. Aber die Tatsache, endlich etwas tun und nicht daheim zu sitzen und darauf zu warten, dass ein Wunder geschah, hatte mir den Antrieb gegeben.
Es war ganz allein meine Entscheidung gewesen und ich bereute sie bereits, ohne zu wissen, was noch kommen würde.
Der Boden war schon so nah und ich sah etliche Körper vor mir auf ihn zurasen. Sie waren alle nur schwarze oder graue Flecken unter mir.
Ich wartete darauf, den Schmerz zu spüren und schloss meine Augen, um ihn ganz intensiv wahr zu nehmen.
Wir hatten uns alle in den Tod gestürzt, von dem größten Gebäude der Stadt.
Denn es gab nichts zu tun, und mein Leben würde sich nicht ändern.
Das war die stumme Wahrheit, die mir ins Gesicht geschrien hatte, während ich die Stufen zum obersten Stockwerk hochgestiegen war.
Jetzt kam mir der leise Gedanke, dass es vielleicht doch etwas zu tun geben könnte.
Zu spät, mein Körper klatschte auf den harten Stein und in der nächsten Sekunde war es vorbei.
Ich schnappte nach Luft.
Im Zimmer war es dunkel und mir rann der Schweiß den Rücken herunter.
Zu schnell. Zu überstürzt.
Das war nicht das Ende, das war der Anfang.
Ich atmete tief, der Traum hatte mir den letzten Nerv geraubt.
Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und meine Atmung beruhigte sich allmählich.
Ein Blick auf den Wecker sagte mir 06: 58 Uhr. Ich schwang meine Beine aus dem Bett und zog mich schnell an.
Irgendetwas trieb mich voran.
Vielleicht war es die Gewissheit, dass es passieren würde, wenn ich jetzt nicht aufstand und mich ins Leben stürzte.
Natürlich würde sich nichts ändern, wenn ich den Trott, in den ich verfallen war, einfach so weiter laufen ließ. Natürlich würde es immer ein Ausweg sein, zu springen.
Aber wer ließ eine Vase aus Glas schon absichtlich fallen?
Wofür war denn eine Vase da?
Um sie mit Wasser zu füllen und mit Blumen zu schmücken.
Ja, wofür war das Leben denn da?
Um es mit Leben zu füllen und mit Freude zu schmücken.
Ich nickte, man konnte sich immer dafür entscheiden, die Vase nicht zu benutzen. Aber ich hatte den Entschluss gefasst, sie aus dem Schrank zu nehmen.
Die hirnrissige Entscheidung, mich vom Hochhaus zu stürzen, war vergessen.
Es war nur ein Traum gewesen.
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