Die Tiefen der Seele
Der Schnee knirschte, als wir durch den Wald gingen. Mein Freund ging neben mir, er lächelte bereits ganz verträumt. Es konnte nicht mehr weit sein. Vor uns öffnete sich der Wald und eine Lichtung kam zum Vorschein. In der Mitte ein großer See. Er rannte auf das Eis zu. Ich folgte ihm. An der Eisfläche zogen wir unsere Eislaufschuhe an. Er machte Anstalten, einen Sprung zu wagen. Neidisch sah ich zu, wie er elegant wieder auf dem Eis landete. Die Nacht schritt voran und es fing an zu schneien. Müde setzte ich mich an den Rand des Sees. Das Schneetreiben wurde dichter. Zwischen den Schneeflocken konnte ich seine Kontur ausmachen. Er setzte erneut zu einem Sprung an, doch diesmal ertönte in der Stille der Nacht ein Knacken. Meine Augen weiteten sich, als ich ihn zwischen den Schneeflocken nicht mehr erkennen konnte. So schnell ich konnte, rannte ich auf die Eisfläche. Ein Loch im Eis. Mehr konnte ich nicht finden. An den Rand dieses Loches kniete ich mich hin und schaute in das pechschwarze Wasser. Meine Hand fasste in die Tiefen dieser kalten Nässe und fasste ins Nichts. Ich merkte erst, dass ich weinte, als die Tränen an meinen Wangen anfingen, zu gefrieren.
“Du hast nicht erwähnt, dass dieser Ausflug die Eishalle betrifft. ”
Dass sie plötzlich so dreist geworden war, zu glauben, mich auf die Eisfläche zwingen zu können?
“Ich weiß, dass du das Eislaufen liebst! ”
Meine Freundin legte ein Flehen in ihre Worte.
“Ich werde nicht ohne ihn laufen! ” Meine Worte schwebten in der Luft.
“Er ist tot! ”
Obwohl sich bei diesem Wort etwas in mir hätte regen sollen, blieb mein Herz kalt.
“Du bist doch selbst längst tot, nicht wahr? ” Sie schaute vor mir zu Boden. Sie wollte nicht, dass ich sah, wie sie weinte.
“Wenn das so ist, dann mach doch, was du willst. ” Meine Freudin stürmte mit gesenktem Kopf an mir vorbei, die Tränen nun nicht mehr zurückhaltend. Etwas bohrte sich in mein Herz, doch es war kein Schmerz, der mich dazu veranlasst hätte, ihr hinterher zu rennen.
Alleine marschierte ich durch den Schnee. Eine unangenehme Spannung lag in der Luft. Vor mir öffnete sich der Wald. Unentschlossen stand ich am Rand des Sees.
Wütend starrte ich auf das Eis. Warum hast du ihn mir genommen? Ich wollte schreien. Alles war egal, seit er in den Tiefen dieses Sees verschwunden war. Ein Schrei bahnte sich den Weg aus meiner Lunge. Ich ließ den Blick über das stille Eis wandern, da bemerkte ich eine Gestalt. Sie sah aus, wie er. Hastig zog ich meine Eislaufschuhe an. Er war zurück, er hatte mich nicht verlassen. Langsam bewegte ich mich auf der Eisfläche. Er schien zu lächeln. Eine Pirouette und ein Sprung nach dem anderen. Er stand immer noch am Rand des Sees. Mein Herz fühlte sich nicht mehr so kalt und leer an.
Ein Knacken. Dieses Geräusch hatte ich schon einmal gehört. Ehe ich reagieren konnte, umschloss mich bereits das schwarze Wasser. Es war kalt, ich wollte nach oben schwimmen, aber meine Arme gehorchten mir nicht. Vielleicht war es ja in Ordnung, so wie es nun war?
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