Die Träne der Enttäuschung
Er wurde dieses Gefühl nicht los, Tea zum ersten Mal richtig zu sehen. Die Art wie sie in den fast schon schwarzen Himmel blickte, die Sterne ihre Augen zum Leuchten brachten und der milde Herbstwind ihre langen braunen Haare auf eine magische Weise bewegte. Marc sieht sie an, er merkt dass dieses sonst so starke Mädchen schwach und furchtbar zerbrechlich ist. Eine Träne kullert Tea über ihre mit Sommersprossen bedeckte Wange. Mit ihren langen zärtlichen Fingern strich sie sich diese voller Trauer gefüllten Gefühle weg.
"Weißt du Marc, ich bin die ganze Welt so unfassbar satt. Ich habe keine Lust mehr in einer Welt zu leben wo wir doch eindeutig genug von allem und jeden haben und trotzdem ungenügend. Immer diese Menschen die Dinge von einem verlangen, die sie selbst nicht schaffen. "
Die Art wie sie Marcs Namen betont, kann man darauf zurückführen, dass sie vor ein paar Stunden nicht mal wusste wer er sei. Ihm wurde klar wovon sie sprach, sie sprach von ihrem Modeljob. Diese zwei Sachen haben viel miteinander zu tun. Marc ist ihr Nachbar und sie ist immer so gestresst, dass sie nicht mal wusste wer neben ihr wohnte. Teas Mutter zwingt sie förmlich vor der Kamera zu stehen und ein gezwungenes Lächeln von ihr zu geben. Sie ist unglücklich, das war kaum zu übersehen.
"Schon komisch Marc, ich kenne dich gar nicht und erzähle so viel. Ach was soll das hier, ich habe selbst davon genug. . . "
Er sah sie lächelnd an und meinte „Genug also? Das bedeutet du hast noch nicht richtig begonnen zu leben Tea! !“
„Ach was weißt du schon, Marc…“
Er starrte sie förmlich an und sagte: "Es tut mir leid. " „Schon okay, es ist bloß diese Angst in mir, dass mich andere so sehen wie ich mich sehe.“ Er wunderte sich, fasste sich durch seine lockigen Haare und rümpfte seine Nase wie als müsste er gleich niesen. Im Gegensatz zu Tea hatte Marc keine spitze, sondern eine runde Nase.
Man sah in Teas Augen die pure Enttäuschung… Marc merkte es sofort und reichte ihr nochmal die Hand: „Hast du auch genug von einem Spaziergang?“ Ohne zu antworten streckte Tea die Hand entgegen. Sie erzählte Marc ihr ganzes Leben und ihm war klar, dass es das letzte Mal gewesen sein wird, mit ihr so gesprochen zu haben. Es war zwar Tea die ihm alles erzählt, doch trotzdem hört man den Alkohol heraus. Ab morgen wird sie weniger von sich selbst, weniger von der Welt, weniger von allem genug haben, dafür umso mehr von Marc.
Als sie vor ihrem Haus standen, sagte sie noch einen Satz, einer der mehr in unser Gehirn dringt, als wir uns selbst erlauben würden.
„Du hattest Recht. Ich bin nicht alles und jeden satt. Ich habe nicht von allem genug, aber so positiv du es auch meinst, die Menschheit hat immer etwas Genug, sonst wäre es nicht genügend.“
So sind Menschen nun mal. Man hat von allem genug und genug reicht im Endeffekt auch wieder nicht.
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